Der milde Avantgardist: Jürg Baur wird 90
Die Werke des Düsseldorfer Komponisten werden viel und gerne gespielt.
Düsseldorf. Er gehört zu den meistaufgeführten Komponisten seiner Generation, der 1918 in Düsseldorf geborene Jürg Baur. Es mag an der Milde seiner Modernität liegen, die Baur bei Hörern und Konzertveranstaltern beliebt macht und der Gema soviel einbrachte, dass sie ihn zu ihrem Ehrenmitglied kürte.
Auch dass selbst die größeren Orchesterwerke kaum länger als eine halbe Stunde dauern, trägt wohl zu einer Integrationsfähigkeit in klassische Programmabläufe und mithin zur Präsenz im Konzertleben bei. Es gab Zeiten, da übertrafen seine Aufführungsziffern gar die seiner berühmteren Kollegen Hans Werner Henze und Karlheinz Stockhausen.
In einem als Buch veröffentlichten Interview mit dem Musikjournalisten Hanspeter Krellmann gibt Baur einmal zu, kein Avantgardist zu sein, relativiert aber später seine Aussage und meint, er sei durchaus Avantgardist, wenn auch nicht in extremer Art und Weise.
An einem karnevalistischen 11.11. (Hoppeditz’ Erwachen) kommt Jürg Baur am Rhein zur Welt als Sohn eines Gymnasialdirektors. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg beginnt er sein Kompositionsstudium bei dem Busoni-Schüler Philipp Jarnach an der Kölner Musikhochschule.
Mit der Modernen Musik des frühen 20. Jahrhunderts ist er bereits im Elternhaus durch einen Notenband mit zeitgenössischer Musik in Berührung gekommen. Klavierwerke von Hindemith, Strawinsky, Bartók und Ernst Toch befinden sich in dem neuen Schott-Band und inspirierten den Heranwachsenden dazu, eigene kleine Stücke zu komponieren.
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ist es fast vorbei mit dem Studium der Neuen Musik, denn an den Musikhochschulen verschwinden die Neutöner mit ihrer "entarteten Musik" vom Lehrplan. Mit der Einberufung in den Militärdienst 1939 muss sich Baur für mehr als sechs Jahre fast ganz von der Musik verabschieden. Erst nach der Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft Ende 1945 kann er fertig studieren und sein Examen ablegen.
1965 wird er Rektor des Düsseldorfer Robert-Schumann-Konservatoriums, 1969 folgt die Ernennung zum Professor. Von 1971 bis 1990 leitet er eine Kompositionsklasse an der Kölner Musikhochschule als direkter Nachfolger Bernd Alois Zimmermanns.
Als Komponist schafft er Werke für nahezu alle Gattungen, darunter Lieder, Klavier- und Kammermusik, Orgel- und Orchesterwerke und erst vor wenigen Jahren entsteht Baurs erste Kammeroper, "Der Roman mit dem Kontrabass", nach der gleichnamigen Novelle von Anton Tschechow.
Baur vertritt bis heute das Postulat eines soliden Kompositionshandwerks. Die Beherrschung der Technik und ein zwischen Tradition und Moderne wandelnder Stil machen den Reiz und Wert seiner Werke aus.