K.I.Z wollen provozieren

Auf MTV laufen sie in Dauerschleife. Jetzt erscheint das dritte Album des Berliner Quartetts, das textlich provoziert, aber rein ironisch gemeint sein soll. Schwer zu glauben.

Düsseldorf. Manchmal sind die Kollegen von Radio und Fernsehen zu beneiden. Interviews mit nicht immer geschmackssicheren Jugendphänomenen wie Bushido, Sido oder LaFee können sie im Ernstfall stellenweise mit einem Piep überblenden - und trotzdem weiß der Hörer/Zuschauer immer noch, was gesagt werden sollte, muss sich aber phonetisch nicht von Fäkalausdrücken, ganz zu schweigen von einer löchrigen Syntax belästigt fühlen.

Dabei ist das Piep der hinterhältigste Sittenwächter unter den Zensurmethoden, da es nur vordergründig vor gesellschaftlicher Verrohung schützt und stattdessen die Fantasie des Konsumenten dermaßen beflügelt, dass man gleich das Originalwort hätte stehen lassen können.

K.I.Z. sind ein klassischer Fall für das Piep. Nicht unbedingt in ihren Interviews, da geben sich die vier Berliner HipHopper, alle Anfang 20, äußerst eloquent und drücken sich bedacht aus. Höchstens ein "Scheiße" platzt mal dazwischen, aber wem von uns tut es das nicht?

Geht es allerdings an ihre Rap-Texte, hilft ein harmloser Piepton nicht mehr aus. Da bräuchte man wahrscheinlich das lang gezogene Sendesignal, mit dem der Fernsehzuschauer früher nach der Nationalhymne ins Bett geschickt wurde. Und selbst das würde angesichts der Kraftausdrucks-Tiraden wahrscheinlich nicht halten, was seine Penetranz einst versprach.

Dabei soll es gar keine Provokation sein, was K.I.Z. ihren vornehmlich jugendlichen Fans auftischen. "Wir lassen die Hose ein bisschen runter", sagt DJ Craft, bei K.I.Z. für den musikalischen Rahmen zuständig. "Wir wollen die HipHop-Kultur nicht schönreden, im Gegenteil. Da ist auch jede Menge Mist dabei. Das wollen wir durch unsere Texte zum Ausdruck bringen."

Also alles nur ein Spaß, der Straßenslang auf Anschlag gedreht, die HipHop-Pose mit Hand im Schritt und den willigen Häschen am Bühnenrand als Karikatur dessen, was sich der Durchschnittsdeutsche unter Gangsta-Rap vorstellt? "Wir wollen diese festgefahrenen Strukturen im deutschen HipHop zerstören. Eine Entwicklung kann nur stattfinden, wenn man die alten Sachen hinter sich lässt", fährt DJ Craft fort. Vornehmlich meint er damit jene Szene-Vertreter, die sich die amerikanische Ghetto-Attitüde zugelegt haben, einfach die Manierismen von 50 Cent, 2 Pac oder Dr. Dre ins Deutsche übertragen, weil sie sich davon einen größeren Erfolg versprechen.

Die logische Konsequenz für K.I.Z.: Tarek, Maxim, Euro 8000 und DJ Craft erklären den "Hahnenkampf" offiziell für eröffnet. Konkrete Feindbilder haben sie nicht, "wir wollen uns nicht an anderen hochziehen", sagt DJ Craft dazu, aber bei genauerem Nachfragen rutscht ihm doch ein Beispiel raus: "Es ist der Zeigefinger-HipHop, der uns nervt, diese Kopf-Hoch-Lieder von Studentenrappern wie Curse, die ihren Fans immer nur sagen: ,Glaub an Dich, dann schaffst Du das!’ Wir wollen den Leuten nichts vorkauen, die sollen selber denken."

Vor allem um die Ecke. Denn um die Ironie von K.I.Z. zu verstehen, muss man schon genau hinhören. Was angesichts der litaneihaften Aneinanderreihung von expliziten Genital- und Kopulationssynonymen schwerfällt. Und auch angesichts der musikalischen Vielfalt, die DJ Craft auf die Hörer einprasseln lässt. Da regieren nicht die Standard-Beats und die üblichen Scratches, da wird von Salsa über Bossa-Nova bis zu jüdischen Klezmer-Klängen alles gesamplet, was Craft so über den Weg läuft. "Wenn ich auflege, darf’s nicht nur HipHop sein."

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