Culcha Candela: Sieben mit großem Ehrgeiz

Auf ihrem Debüt vor drei Jahren beschäftigte sich das Berliner Septett Culcha Candela mit gesellschaftspolitischen Themen. Das neue Album ist wesentlich persönlicher.

Düsseldorf. Sie kommen aus fünf Nationen und vier Kontinenten, singen ihre Songs in vier Sprachen und vereinen Musikstile von Roots-Reggae und Dancehall über Ragga und Salsa bis zum HipHop. Culcha Candela sind gelebte Integration, vor einem ganz bestimmten Begriff graust es den sieben Berlinern allerdings.

"Multikulti ist ein veraltetes Wort, das Leute ab Mitte 40 gerne in den Mund nehmen", sagt Itchyban, einer der drei Bandgründer, dessen Vorfahren aus Polen stammen. "Das passt gut zu alternativen Radiosendern, die Panflötenmusik aus den Anden spielen. Für uns ist das, was wir machen, einfach normal. Wir repräsentieren Deutschland, wie es unserer Meinung nach sein sollte."

Den erhobenen Zeigefinger braucht es also nicht, es reicht die reine Bühnenpräsenz der Band, um ein Statement für ein respektvolles Miteinander abzugeben. Man wolle sich außerdem politisch nicht instrumentalisieren lassen. "Wir haben uns bewusst gegen die Anti-Rassismus-Schiene entschieden. Wer mit uns feiert, hat das kapiert", erläutert Mr. Reedoo.

Und zum Feiern gibt es bei der neuen CD "Culcha Candela" reichlich Gelegenheit, das zeigt schon die gerade erschienene Single-Auskopplung "Hamma!" - eine absolut partytaugliche HipHop-Nummer, bei der die Berliner die coole Macho-Anmache wortstark aufs Korn nehmen und dabei lässig in die Fußstapfen der großen Fanta 4 treten.

"Wir haben uns für die neue CD viel Zeit genommen und uns anders als beim Vorgängeralbum, bei dem wir nebenbei noch getourt sind, voll auf die Arbeit im Studio konzentriert", sagt DJ Chino con Estilo. Dabei haben sich bei der Band die Gewichte klar verschoben. War bei den ersten Alben noch der Roots-Reggae, die Urform des Reggae, tonangebend, übernehmen dies jetzt die HipHop-Beats, in die noch organischer als bisher Latino-Elemente eingebettet werden.

"Das bedeutet aber nicht, dass wir ein Album nach dem Baukastenprinzip aus verschiedenen Stilen zusammensetzen. Das was Culcha Candela ausmacht, ist organisch in den vergangenen fünf Jahren gewachsen", betont Itchyban. Auch bei den Texten haben sich die Schwerpunkte bei den Culchas verschoben. Wurden bei "Next Generation" noch große Themen wie Konsumkritik oder Naturschutz besungen, ist es jetzt der kleine zwischenmenschliche Kosmos, von dem die Songs handeln.

"Die persönliche Ebene ist uns wichtiger gewesen, als die große Weltpolitik, ohne diese ganz aus den Augen verlieren zu wollen", sagt Jonny Strange. Dabei finden sich durchaus nachdenkliche Töne wie beim balladesken Stück "Tara", bei dem es um familiäre Bindungen geht, die oft fragil sein können. "Was Dir heute gegeben wird, wird Dir morgen wieder genommen" beschreibt eine Textzeile, die späte Begegnung mit dem unbekannten Bruder, der kurze Zeit später stirbt.

Erfolgsdruck haben die sieben Musiker bei ihrer aktuellen CD nicht verspürt, obwohl die Formation längst die Berliner Indieszene verlassen hat und große Hallen füllt. "Wir ignorieren jeglichen Druck von außen, weil der Anspruch, den wir an uns selbst stellen, schon hoch genug ist. Wir haben so viele Lieder wie nie zuvor geschrieben und dann streng ausgewählt. Das ging nicht immer ganz reibungslos über die Bühne. Oft war es nur der geringste gemeinsame Nenner, auf den wir uns einigen konnten", erinnert sich Jonny Strange an die teilweise stressige Zeit im Studio.

Was die Bühnenshow angeht, die von der Band genauso wie der Onlineauftritt komplett überarbeitet wurde, waren es oft die Künstler, mit denen die Culchas auf Tour waren, die bei den Sieben den großen Ehrgeiz geschürt haben. "Wenn Du Leute wie Gentleman oder die Saian Supa Crew auf der Bühne siehst, weißt Du, was live alles möglich ist", schwärmt Itchyban.

Ein Experiment haben die Berliner allerdings aufgeben: Gemeinsame Auftritte mit einer Liveband wie 2006 beim Summerjam wird es künftig nicht mehr geben. "Das war eine höchst spannende Geschichte, die uns aber nicht wesentlich nach vorne gebracht hat. Wir haben daraus gelernt, dass wir uns selbst genügen und alles aus uns herausholen müssen, um live gut zu sein", meint Itchyban. Bei den bisherigen Sommerfestivals ist das eindrucksvoll gelungen. www.culcha-candela.de