Portishead: Die melancholische Magie wirkt
Comeback: Nach elf Jahren Pause stellt Portishead das neue Album vor.
Köln. Stille. Elf Jahre lang kein Ton. Hier ein Soloprojekt von Beth Gibbons, dort eine Reminiszenz an Serge Gainsbourg, doch ansonsten schien sich die britische Band Portishead im düsteren Nebel ihrer eigenen Songs aufgelöst zu haben. Umso gespannter waren die Fans, als nun für Ende April mit "Third" das dritte Album der Band aus Bristol angekündigt war. Auch, wenn im Netz bereits einige Mitschnitte der neuen Songs kursieren, war am Sonntag im restlos ausverkauften Palladium eine nervöse Anspannung zu spüren. Würden die stillen Helden der Neunziger an ihre eigene Legende andocken können? Bereits das Erscheinen von Beth Gibbons lässt die Fans jubeln. In gewohnt verhuschter Haltung betritt sie die Bühne, die Schultern hochgezogen, als trage sie das ganze Leid der Welt. Kurz ein scheues Lächeln in den Saal geworfen, klammert sich die sphinxhafte Sängerin am Mikro fest, die Augen hält sie fast immer geschlossen. Einer ominösen, in brasilianischem Portugiesisch gesprochenen Einleitung aus der Konserve folgt ein düster vor sich hin rumpelnder, scheppernder Rhythmus, der durch eine wunderschöne Melodielinie der Streicher konterkariert wird. Darüber legt sich ihre helle, klare und stets sehnsüchtige Stimme wie ein Lichtschimmer. "Empty in our hearts/Crying out in silence/ Wandered out of reach/Too far to speak/Drifting unable. "Silence heißt das Stück passenderweise, mit dem Portishead ihr langes Schweigen nun beenden und ihr neues Werk vorstellen. Und das Verblüffende: Die melancholische Magie wirkt noch immer.
Wenn sie singt, ist sie ganz in sich versunken
Es ist noch immer das gleiche Vokabular von Trauer, Einsamkeit und Verzweiflung, mit dem sie die nebligen Seelenlandschaften zeichnen, die jeden Film David Lynchs aufs Beste untermalen würden. Dazu perlen die Melodien wie Regentropfen auf die kargen, monotonen Basslinien. Doch die einst so hypnotischen Beats sind schneller und härter geworden. Portishead verlangen ihren Fans etwas ab, klingen deutlich disharmonischer, aggressiver als früher, warten zum Teil mit langen, sperrigen Instrumentalphasen auf ("We Carry On") oder peitschen ein elektronisch verfremdetes Schlagwerk im Stakkato über die Boxen ("Machine Gun"), das zuweilen an Kraftwerk erinnert. Nur der betörende Gesang Beth Gibbons scheint in dieser Eiswelt Trost und Wärme zu spenden. Sie ist zweifellos Herz und Seele der verkopften Kompositionen. Geschickt streuen die einstigen Mitbegründer des Trip-Hop die neuen Songs zwischen die alten Hymnen, die jeweils vom Publikum mit Zwischenapplaus und begeisterten Rufen goutiert werden: "Sour Times", "Glory Box", "Only You" oder "All Mine". So wie die schräge Musik die Hörgewohnheiten untergräbt, ist die Introvertiertheit und Schüchternheit Beth Gibbons die absolute Verweigerung der Regeln des Musikbusiness. Wenn sie singt, ist sie ganz in sich versunken, dazwischen dreht sie den Fans immer wieder den Rücken zu. Verlegen kratzt sie sich am Kopf, wenn der Applaus allzu begeistert zu ihr dringt. Dabei wirkt die hagere, schwarz gekleidete Sängerin glücklich, wieder auf der Bühne stehen und singen zu können - solange sie nur nicht reden muss.Einer der ergreifendsten Momente des Abends wartet im Zugabe-Set. Im blauen Lichtkegel steht Gibbons wie ein Engel in der eigenen Geisterwelt und haucht zu "Roads" mit einer so attraktiven Zerbrechlichkeit, dass die Fans sie immer wieder mit lauten Seufzern unterbrechen. Die letzte Zugabe ist das vielleicht wichtigste Versprechen: "We carry on".