Vampire Weekend und der perfekte Indiepop
Berlin (dpa) - Mit ihrer Mixtur aus rasantem Indiepop, Afrobeat-Anleihen und schlauen Lyrics schafften es Vampire Weekend bis an die Spitze der US-Charts. Gar nicht so einfach, dieser Erfolgsgeschichte ein neues Kapitel hinzuzufügen.
Die New Yorker Band behalf sich bei Album Nummer drei mit einem probaten Mittel: Alles ein bisschen anders machen, aber nicht so sehr anders, dass die alten Fans vergrault werden. Eine Verfeinerung des Bewährten also ist auf „Modern Vampires Of The City“ (XL/Beggars) angesagt, eine Erweiterung der Möglichkeiten. Und wundersamerweise gelingt Vampire Weekend auch dieser wohldurchdachte Kursschwenk mit spielerischer Leichtigkeit.
Schon der Vorbote des neuen Werks, die Single „Diane Young“, verblüffte mit einem unfassbar energiegeladenen Rockabilly-Groove - und mit einem Video, in dem die Band ein Saab-Cabrio in aller Seelenruhe ausbrennen ließ. Ein künstlerisches Statement, das im Netz für einige Empörung von Fans des Kult-Autos sorgte, in seiner eigentümlichen Ästhetik aber wieder einmal hundertprozentig zu dieser Intellektuellen-Band passte.
Das mit Spannung erwartete dritte Album hatte Frontmann Ezra Koenig vorab in einem „Q“-Interview einigermaßen widersprüchlich als „düsterer und lebhafter“ bezeichnet - und als Abschluss einer Trilogie nach „Vampire Weekend“ (2008) und „Contra“ (2010). Keyboarder Rostam Batmanglij sagte zu „Uncut“, man habe sich um mehr Tiefgang bemüht, manches klinge wohl nach den Fifties und nach Jazz. „Ich denke, der Klang des Pianos steht im Mittelpunkt.“
Nach all diesen vielversprechenden oder auch irritierenden Vorhersagen lässt sich sagen, dass Vampire Weekend auf dem Weg zum perfekten Indiepop ein gutes Stück vorangekommen sind. Nun gelingen ihnen auch stimmungsvolle Balladen - vorher nicht eben eine Stärke dieses immer noch sehr jungen Quartetts: Das von einem Cembalo und himmlischen Chorälen verzierte „Step“ beispielsweise dürfte einer der zärtlichsten Slowsongs dieses Pop-Jahrgangs sein, „Hannah Hunt“ und der Opener „Obvious Bicycle“ rangieren nur knapp dahinter.
Und natürlich haben Vampire Weekend immer noch den an Paul Simons „Graceland“-Meisterwerk geschulten Afropop im Programm, etwa im entspannten „Everlasting Arms“ oder im wunderschön hymnischen „Worship You“. Koenigs hibbelige Jungsstimme ist ohnehin so typisch, dass man diese Band auch mit einem insgesamt ruhigeren, runderen, reiferen Werk aus tausenden anderen heraushört.
Dass Vampire Weekend im Herzen Punks sind, macht die Entstehung von „Unbelievers“ deutlich - innerhalb weniger Stunden geschrieben, baut der Song nach den Worten Batmanglijs „auf einer sehr einfachen Akkordfolge auf, die sich ein wenig wie The Clash anfühlt“. In den Klavier-, Streicher- und Bläser-Elementen wiederum klingt das Gespür der Band für klassische Musik an. Und die vertrackte Rhythmik von „Hudson“ zeigt, dass Koenig & Co. auch in den Clubs gut zugehört haben.
Mit „Modern Vampires In The City“ ist den New Yorkern quasi die Quadratur des Kreises gelungen: ein Pop-Album, das verspielt, leichtfüßig und intelligent, traditionsbewusst und hochmodern zugleich ist; eine Indie-Platte für die Billboard-Charts, die sich live sowohl auf der kleinen Bühne als auch im Stadion super anhören dürfte. Hut ab!