Wir sind Helden: Gutes von der Ersatzfamilie

„Soundso“ heißt das dritte Album von Wir sind Helden. Friedrich, das Band-Baby, soll darauf keinen Einfluss gehabt haben. Wer’s glaubt!

Düsseldorf. Liebe und Helden-Dasein, das ist schon schwierig genug. Spider- und Superman können ein Lied davon singen. Selbst ein antikes Exemplar wie Herkules hatte so seine Probleme, Weltenretter-Zwänge und Hormonhaushalt im Gleichgewicht zu halten.

Bei den Berliner Helden, erste Person Plural, hatte das bislang gut geklappt. Pola Roy und Judith Holofernes sind das bandinterne Paar, Jean-Michel Tourette und Mark Tavassol führen ebenfalls langjährig funktionierende Beziehungen. Liebe und Helden-Dasein kann also klappen. Aber was, wenn plötzlich ein Kind plärrt und auf die Regler spuckt? "Klar, das ist eine Veränderung!" Jean-Michel Tourette, Keyboarder und Gitarrist, muss kurz überlegen. "Es hat aber in erster Linie Vorteile. Wir sind zu einer gewissen Effizienz gezwungen, was uns bislang eigentlich nicht so lag."

Erstes Anzeichen: Die Studioarbeit teilte sich in zwei Abschnitte. Zunächst wurde das Rohmaterial eingespielt, an dem Tavassol und Tourette tüftelten, während Holofernes und Roy sich in einen verkürzten Elternschaftsurlaub verabschiedeten. Dann kam die Aufnahme der Endversionen. Regelrecht "soldatisch" soll es dabei zugegangenen sein, wie Bassist Tavassol sich ausdrückt.

Das Wort Disziplin versuchen die Helden zu vermeiden, aber wahrscheinlich ist es genau das, wozu der kleine Friedrich, Alter fünf Monate, sie nun zwingt. Auf Musik, Arrangements und Text, also den gesamten kreativen Prozess zum neuen Album "Soundso", soll er aber keinen Einfluss gehabt haben. Sämtliche Songs standen als Konzept zum Zeitpunkt der Geburt bereits.

Holofernes macht sich mittlerweile sogar einen Spaß daraus, Freunde, Verwandte, Journalisten, eben alle, die das neue Werk bereits im Vorfeld zu hören bekamen, auflaufen zu lassen. Denn natürlich werden in den einen oder anderen ihrer Texte Bezüge zur neuen Mutterrolle hineingeheimnist. "Es ist vorbei, Du bist umstellt, um Dich herum überall Welt", heißt es in "Hände hoch", was durchaus nach postnatalen Ersteindrücken klingt.

Der Titel der ersten Singleauskopplung "Endlich ein Grund zur Panik" schreit geradezu danach, als Hilferuf vierer erwachsen gewordener Berufsjugendlicher interpretiert zu werden. Wobei man dann schnell merkt, dass sie das ja nie waren: berufsjugendlich. Und wenn man erwachsen mit abgeklärt, aber enthusiastisch-sendungsbewusst und selbstironisch definiert, dann mussten die Helden es nicht werden. Das waren sie, als sie 2003 auf der Bildfläche erschienen.

Trotz ihres Erfolges haben sie sich in Sachen Eigenvermarktung eher zurückhaltend gezeigt. Aber auch das wird immer schwieriger. Denn als junge, prominente Mutter steht Holofernes auf den Wunschlisten der Talk-Show-Redakteure, die im zweiwöchentlichen Rhythmus die Von-der-Leyen-Mixa-Debatte durchs Dorf treiben, ganz weit oben. "Ich lasse mich nicht zur Klassensprecherin Deutschlands machen", ist ihr Kommentar dazu.

Was auch zum Selbstverständnis der Band passt. "Wir sind schon politisch, aber eher auf einer allgemeinen, philosophischen Ebene", sagt Tourette. "Wir würden jetzt keinen Anti-Atomkraft-Song oder so was rausbringen!" Also kein Beitrag zu Klimawandel, Generationenvertrag oder G8-Gipfel. Dafür aber jede Menge textlich ausgeklügelter Standortbestimmungen, musikalisch in einen völlig neuen, popversesseneren Sound verpackt.

Kurzkritik Irgendwo im Helden-Kosmos muss es diesen Punkt absoluter Glückseligkeit geben, ein Gefühl, das Normalsterbliche niemals ereilen wird. Allein darum sind Wir sind Helden zu beneiden, um ihre Leichtigkeit, ihre Ungezwungenheit und diese scheinbare Sorglosigkeit. Sie schreiben Songs über den Leistungsbegriff ("Ode an die Arbeit"), die Ellenbogengesellschaft ("Die Konkurrenz") oder geschichtliche Verdrängungsmechanismen ("Der Krieg kommt schneller zurück, als du denkst"), begehen dabei aber nie den Fehler, wie klampfende Sozialpädagogen aus den 70ern zu klingen. Dafür sind Holofernes’ Texte zu lyrisch und die Kompositionen der Band zu vereinnahmend. Helden-Musik ist wie eine Ersatzfamilie. Und Abnabelung kommt nicht in Frage.

Highlights Wie auf den Vorgängeralben ist der Beitrag zum Thema Liebe (hier: "Labyrinth") ein Vorzeige-Popsong geworden. Ansonsten kann man sich den wummernden Synthesizern bei "Hände hoch" und der bläserschweren Hymnenhaftigkeit des Titeltracks "Soundso" nur schwer entziehen

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