Meinung Besiegt ist Donald Trump noch lange nicht
Nach dem ersten von drei TV-Duellen sieht Donald Trump wie der sichere Verlierer aus. Der Auftritt des Republikaners war selbst aus Sicht seiner Fans erschreckend schwach. Offenbar hat der Milliardär völlig unterschätzt, dass seine plumpe Aus-dem-Bauch-Rhetorik für 90 Minuten nicht reicht.
Rund 100 Millionen Zuschauer konnten erleben, dass dieser Mann von etlichen Problemen schlicht keine Ahnung hat und es nicht für nötig hält, sich schlau zu machen. Die bestens vorbereitete Hillary Clinton hatte deshalb leichtes Spiel. Es steht 1:0 für die Demokratin. Besiegt ist Trump aber noch lange nicht. Der Polit-Außenseiter kann am 8. November durchaus der nächste Präsident der USA werden.
Clinton hat Ahnung. Ob Verteidigungspolitik, Steuerfragen oder der Islamische Staat — sie kennt sich aus. Und die frühere Außenministerin lässt keine Gelegenheit aus, ihre Expertise gegen Trumps Unwissen auszuspielen. Beim ersten TV-Duell hat das gereicht, um Clinton in den Umfragen wieder an die Spitze zu hieven. Das muss aber nicht so bleiben. Ein wesentlicher Grund für Trumps bisherigen Erfolg ist, dass die Wertschätzung für ausgeprägtes Wissen bei den Amerikanern abnimmt. Der Seiteneinsteiger hat es geschafft, dass viele Wähler Erfahrung und Sachkenntnis als Merkmale einer elitären politischen Klasse wahrnehmen. Gerade Trumps Ignoranz gegenüber Fakten jedweder Art kommt gut an. Nicht wenige empfinden ihn als bodenständig und authentisch, wenn er gegen Einwanderer aus Mexiko oder Importe aus China hetzt.
Trumps Chance liegt in seiner Fähigkeit, die Menschen mit seinen schlichten Botschaften zu begeistern. Genau das gelingt Clinton nicht. Sie steht für die alte Art des Politikbetriebs, bei der alles recht ist, was einen die Wahl gewinnen lässt. Die Menschen halten die Demokratin für professionell, aber sie vertrauen ihr nicht. Beliebt ist Hillary Clinton nicht, Enthusiasmus löst sie bei niemandem aus. Hinzu kommt ein womöglich entscheidender Punkt, den der linke US-Filmemacher Michael Moore treffend beschrieben hat. Millionen Menschen werden nur deshalb für Trump stimmen, weil sie dem politischen Establishment eins auswischen wollen. Weil sie so ihre Wut gegenüber einem System ausdrücken können, das aus ihrer Sicht wenige Gewinner und viele Verlierer produziert. Clinton steht wie keine andere für dieses System.