Meinung Corona-Pandemie in Deutschland: Jetzt ist Disziplin gefragt – und Geduld

Meinung · Die Verlockung ist groß, schon jetzt nach Lockerung zu rufen. Je länger es dauert, je schöner das Wetter wird, je schmerzhafter der Verzicht, umso drängender wird dieses Verlangen werden. Dabei kommt die echte Herausforderung jetzt erst.

Ein Mann mit Mundschutz sitzt auf einer Bank und bewegt seine Beine neben abgesperrten Fitnessgeräten in Berlin. Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, hat die Bundesregierung das öffentliche Leben erheblich eingeschränkt.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Erst seit zwei Wochen gelten die strengen Kontaktverbote – es wirkt wie eine Ewigkeit. Ohne soziale Aktivitäten und Zerstreuung, gleichzeitig die Sorgen um die Zukunft vor Augen, scheint es vielen, als dehne sich die Zeit. Dabei sind die Quarantäne-Maßnahmen in Deutschland noch nicht einmal so hart wie in anderen Ländern. Dabei ist das Land in der Lage, die gröbsten materiellen Löcher mit Geld zu stopfen. Und dabei ist das Gesundheitssystem noch nicht überfordert.

Die Verlockung ist groß, schon jetzt nach Lockerung zu rufen. Je länger es dauert, je schöner das Wetter wird, je schmerzhafter der Verzicht, umso drängender wird dieses Verlangen werden. Die Leugner und Staatsskeptiker erleben neuen Zulauf. Und jeder, der leichtfertig eine schnelle Normalisierung verspricht oder fordert.

Dabei kommt die echte Herausforderung jetzt erst. Noch verdoppelt sich die Zahl der offiziell registrierten Infizierten alle zehn Tage. Und noch sind nicht alle erkrankt, die sich schon angesteckt hatten, bevor das große Abstandhalten losging. Noch besteht die Gefahr, dass das Virus in weitere Altenheime eindringt – und in die Kliniken. Auch Deutschland wird vermutlich um Ostern herum die Zahl von 200 000 Infizierten erreichen und dann viele Patienten in Krankenhäusern behandeln müssen. Dann kommt die Grenze der Intensiv-Kapazitäten in Sicht. Erst wenn die Verdopplungszeit der Zahl der Infektionen deutlich länger als 14 Tage beträgt – also länger, als die Krankheit dauert – wird man von Entspannung reden können. Dann können die Genesenen die Betten für die nächsten frei machen und das Gesundheitssystem wird nicht überfordert. Wenn das gelingt, werden die Verschwörungstheoretiker sagen:  Siehste, nichts passiert. Sei es drum.

Jetzt ist Disziplin gefragt – und Geduld. Der Trost: Das Wichtigste ist schon geschafft. Nämlich, dass die Krankheit wirklich von allen ernst genommen wird. Die Abstandsregel wird fast überall eingehalten. Ebenso die Hustenetikette. Das Tragen eines Mundschutzes nimmt zu. Und die meisten passen auf, alte und kranke Menschen nicht zu gefährden. Die Jungen, denen der soziale Shutdown am schwersten fällt, haben kapiert, dass sie über ihre direkten oder indirekten Kontakte Menschen in große Gefahr bringen können.

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

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Wenn es später keine neue Pandemie geben soll, muss all dieses Wissen auch nach dem 19. April weiter wie selbstverständlich angewandt werden. Von allen. Viele Menschen joggen ja jetzt. Nun, Corona ist wie ein Halbmarathon. Wir sind gerade erst losgelaufen und müssen nun unser Tempo finden. Am besten nicht die ganze Zeit an das Ziel denken.