Meinung Der 18. Bundestag schließt seine Pforten - Abschied mit Stolz
Das war’s. Der 18. Deutsche Bundestag hat mit der Debatte am Dienstag seine Pforten geschlossen. Am 24. September wird ein neues Parlament gewählt. Schon jetzt ist klar, wen man im nächsten Bundestag vermissen wird: Norbert Lammert.
Der noch amtierende Präsident hört auf. Seine geschickte, zuweilen heitere, vor allem konsequente Amtsführung hinterlässt große Fußstapfen. Lammert hat immer versucht, den Parlamentarismus in Deutschland über die Parteigrenzen hinweg zu stärken, wenn nötig auch zu verteidigen. Erst Recht gegen eine mitunter wegen ihrer satten Mehrheit abgehobene, großkoalitionäre Regierung. So viel geradlinige Unabhängigkeit, wie Lammert sie an den Tag gelegt hat, ist keine Selbstverständlichkeit.
Die Deutschen können stolz sein auf ihren Bundestag. Nun wird es die geben, die sagen, zu groß, zu teuer, zu bürgerfern. An all diesen Vorwürfen ist sicherlich auch etwas dran — denn die Republik leistet sich in der Tat eines der weltweit größten Parlamente, das nach dem Urnengang in zweieinhalb Wochen vielleicht noch größer werden wird. Weil eine Reform des Wahlrechts aus parteipolitischen Gründen nicht von jedem gewollt gewesen ist. Ein schwerer Fehler. Das kostet Geld und lässt den Bundestag nicht näher an die Menschen rücken. Und wahr ist auch, dass kein Abgeordneter einen Heiligenschein verdient. Wie jeder Nicht-Abgeordneter übrigens auch nicht.
Es gibt kein perfektes Parlament. Was für jede andere Institution auch gilt. In vielen Teilen der Welt werden die Deutschen um ihre streitbare und effiziente Volksvertretung beneidet. Um ihre funktionierende repräsentative Demokratie, um die weitreichenden Möglichkeiten, die die Abgeordneten haben, die Regierung zu kontrollieren. In der abgelaufenen Legislaturperiode gab es zum Beispiel so viele Untersuchungsausschüsse wie noch nie. Auch verfügte die große Koalition über eine so hohe Zahl an Mandate, weshalb die Rechte der Opposition gestärkt wurden. Das Parlament ist also zur kritischen Selbstreflexion fähig - auch wenn es manchmal dazu getrieben werden muss. Und nicht zuletzt zum Schulterschluss aller, wenn demokratische Prinzipien zur Disposition stehen.
Das macht für die nächste Legislaturperiode Hoffnung. Denn der neue Bundestag wird aller Voraussicht nach ganz anders sein, mit dann vielleicht sieben statt fünf Parteien. Die Polarisierung wird zunehmen, die Schärfe der Auseinandersetzungen sich verändern. Mehr Lebendigkeit wird guttun, mehr Abgrenzung auch. Daran hat es in den letzten vier Jahren durchaus gemangelt. Aber politische Grenzverletzungen dürfen damit nicht einhergehen. Dagegen muss sich die Mehrheit im Parlament über mögliche Koalitionen hinaus geschlossen wehren.
Norbert Lammert hat am Dienstag noch etwas Wichtiges angemerkt: „Die Demokratie steht und fällt mit dem Engagement ihrer Bürger.“ Wählen zu können, ist keine Selbstverständlichkeit. Das sollte man nicht vergessen. Bei allem Ärger über die Politik und ihre Vertreter, der häufig berechtigt ist.