Meinung Der Streit um die Maghreb-Staaten: Strategie und Profil

Keine Frage, rein sachlich betrachtet ist der Streit um die Einstufung der Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsländer auch einer um des Kaisers Bart. Denn es kommen kaum noch Asylsuchende aus diesen Staaten.

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Und wer tatsächlich verfolgt ist, der kann auch nach einer solchen Festlegung Schutz in Deutschland suchen und gegebenenfalls finden.

Der Konflikt speist sich somit aus anderen Dingen: Es geht um Überzeugungen, es geht um Strategie und Profil. Genau deswegen kann man den Grünen ihre ablehnende Haltung nicht wirklich verübeln - sie versuchen, sich endlich wieder freizuschwimmen. Denn bislang waren sie bei vielen Punkten innigste Verfechter der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Das hat jedoch dazu geführt, dass die Grünen in einem ihrer zentralen Politikbereiche weitgehend profillos geworden sind. Zumindest wirken sie so. Und zum Leidwesen vieler in der Partei ist dadurch auch die Debatte über Schwarz-Grün neu befeuert worden.

In der Flüchtlingspolitik haben andere gepunktet. Da ist das grüne Problem. Deshalb wollen sie offensichtlich nun an den Stellen Kante zeigen, an denen man sich von der Kanzlerin und ihrer Regierung wieder absetzen und auf eigene Überzeugungen besinnen kann. Dazu gehört das Nein zu der Benennung weiterer sicherer Herkunftsländer. Wobei man einräumen muss, dass die Partei in dieser Frage schon immer hart mit sich gerungen hat.

Erinnert sei nur an das Jahr 2014, als der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Bundesrat einer Ausweitung der Länderliste zur Mehrheit verhalf und daraufhin der Haussegen bei den Ökopaxen mächtig schief hing. Die Vorgänge damals wirken bis heute innerparteilich nach.

Nun gehören Algerien, Tunesien und Marokko in der Tat nicht zu den Ländern, in denen plötzlich Demokratie und Menschenrechte groß geschrieben werden. Das weiß man auch in der großen Koalition. Insofern haben die Grünen Recht, wenn sie dem Bündnis vorwerfen, einen Teil der wahren politischen Gegebenheiten in diesen Staaten zu ignorieren.

Es stimmt, die Einstufung als sicher relativiert die vorhandene Verfolgung, die es in den Maghreb-Staaten gibt. Vielleicht wird sie sogar die jeweiligen Machthaber ermuntern in ihrem Vorgehen gegen Andersdenkende. Dessen muss sich die Koalition bewusst sein.

Doch die Botschaft, die Union und SPD senden wollen, zählt mehr, als die Realitäten: Seht her, wir tun etwas zur weiteren Begrenzung der nach Deutschland kommenden Asylsuchenden. Allemal, seit in der Kölner Silvesternacht insbesondere Asylsuchende aus Nordafrika straffällig geworden sind. Die Flüchtlingsproblematik insgesamt wird durch diese Maßnahme aber nicht gelöst werden. So viel steht fest. Wer anderes glaubt in der Koalition, der täuscht sich.