In Großbritannien herrscht Chaos

Was immer die britische Premierministerin Theresa May in diesen Wochen auch tut — es misslingt ihr. Als vor einer Woche ein Londoner Hochhaus in Flammen stand, ließ sie sich erst spät blicken.

Als sie dann an dem ausgebrannten Sozialbau auftauchte, sprach sie nicht mit den Überlebenden. Als wenige Tage später ein Mann mit einem Lieferwagen in eine Gruppe von Muslimen vor einer Moschee raste, war May zwar als eine der Ersten vor Ort, fand aber nach Meinung vieler Briten nicht die richtigen Worte. May kommt beim Volk nicht an, das Zugehen auf die Leute ist nicht ihre Sache. Sie wirkt wie eine Regierungschefin auf Abruf. Das wiegt besonders schwer in diesen Tagen, weil die Welt nicht mehr weiß, für welchen Kurs Großbritannien steht.

Mit den Neuwahlen wollte May ihre Mehrheit im Parlament für einen harten Brexit stärken. Freier Handel ja, Einwanderung nein, kein Geld für Brüssel — so hätte es die Premierministerin gerne gehabt. Jetzt ist die Mehrheit weg. May braucht die Hilfe der erzkonservativen nordirischen Democratic Unionist Party (DUP). Diese Partei pocht darauf, dass die Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland auch nach dem Ausstieg aus der EU offen bleibt. Mit Mays Haltung ist diese Position im Grunde unvereinbar.

Von ihrer Partei, den Konservativen, wird May nicht mehr gestützt, sondern nur noch ertragen. Gut möglich, dass die Regierungschefin den Rückhalt im Parlament bald komplett verliert und eine weitere Neuwahl nötig wird. Das könnte dann die große Chance für Jeremy Corbyn sein, den volksnahen und vor allem bei jungen Leuten sehr beliebten Labour-Chef. Er verspricht viel, sagt aber nicht, wie es bezahlt werden soll. Die EU geißelt er als neoliberales Projekt für Eliten, mit dem das Königreich unter seiner Führung nichts mehr zu tun haben will. Auch die Nato hält Corbyn für Teufelswerk. Verlässliche Politik in und mit Europa lässt sich daraus nicht zimmern.