Rechtes Netzwerk aufgedeckt Keine Einzelfälle mehr bei der NRW-Polizei

Meinung | Düsseldorf · Offenkundig hat die Polizei doch ein größeres Problem mit Rechtsextremismus als zuletzt immer wieder behauptet. Der Einzelfall-These kann NRW-Innenminister Reul nichts mehr abgewinnen.

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Wenn man sich einen Bundesinnenminister backen dürfte, es könnte Herbert Reul werden. Klar, konsequent und unerbittlich geht der NRW-Ressortchef jetzt auch gegen jene Polizisten vor, die in einem Chat widerlichste rechtsextreme Propaganda geteilt haben sollen. Reul redet nicht nur, er zieht Konsequenzen. Und der CDU-Politiker hat Mut zur Wahrheit: Offenkundig hat die Polizei doch ein größeres Problem mit Rechtsextremismus als zuletzt immer wieder behauptet. Der Einzelfall-These kann dieser Innenminister jedenfalls nichts mehr abgewinnen. Und wenn dies in Nordrhein-Westfalen so ist, wird es vermutlich in anderen Bundesländern nicht anders sein.

Sicher, nach wie vor gilt: Die allermeisten Polizistinnen und Polizisten sind aufrichtige Leute. Aber die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle wächst. Allein im ersten Halbjahr gab es bundesweit 40 neue Vorkommnisse, die meisten davon in Hessen und in Sachsen. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. In Nordrhein-Westfalen hat auch längst nicht jeder bei den üblen Chats mitgemacht, aber viele haben augenscheinlich davon gewusst und geschwiegen. Das nennt man dann Korpsgeist – den es ja angeblich bei der Polizei nicht geben soll. Von wegen.

Es geht hier nicht um ein Kavaliersdelikt. Für alle Beamten gilt: Sie haben einen Eid auf die Verfassung geschworen. Wer den Staat und seine Menschen schützen soll, ihn aber insgeheim verachtet und zersetzt, betreibt ein gefährliches Spiel mit dem gesellschaftlichen Frieden. Der hat in der Polizei nichts zu suchen. Nach den Enthüllungen in Nordrhein-Westfalen ist es deshalb an der Zeit zu hinterfragen, ob nicht doch ein strukturelles Problem vorliegt. Dafür wäre ein Lagebild Rechtsextremismus dringend erforderlich, das über die reine Auflistung von Fällen hinausgeht. Wer die Dinge schonungslos benennt und analysiert weiß auch, was zu tun ist. NRW-Innenminister Herbert Reul macht es vor. Bundesinnenminister Horst Seehofer sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Er muss seinen Widerstand gegen eine solche Analyse jetzt endlich aufgeben.