Meinung #metoo - Das erstaunliche Schweigen der Männer

Das Auffälligste an der aktuellen Debatte um sexuelle Gewalt und Belästigung, die auch in Deutschland weiter unter dem Stichwort „#metoo“ (ich auch) geführt wird, ist die Abwesenheit von Männern in den Debattenbeiträgen.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Sieht man von ein paar Jammerzeilen („Nicht jeder Mann ist ein Problemfall“, Cicero) oder Vorwärts-Verteidigungen („Ein Lob auf den älteren weißen Mann“, Tagesspiegel) ab, laden die ganz überwiegend von Männern geleiteten Redaktionen aller deutschen Medien das Thema bevorzugt bei „Autorinnen“ ab.

Neu ist das nicht: „Deutsche Medien neigen oft dazu, gesellschaftliche Konfliktthemen den ,Betroffenen’ aufzubürden, was dazu führt, dass diese vor allem als Bittsteller wahrgenommen werden“, bemängelte der Theaterautor Johannes Kram bei bildblog.de und schilderte, wie ihm als schwulem Mann dies bereits in der leidigen Diskussion um die rechtliche Gleichstellung Homosexueller auf den Keks gegangen sei.

Es mag ja sein, dass es vielen Männern (und zwar keineswegs nur älteren, heterosexuellen, weißen) unangenehm ist, wenn heute nicht nur über Jahrzehnte zurückliegende handfeste Sexualstraftaten, sondern auch den durch und durch sexistischen und übergriffigen Grundton aus diesen noch nicht allzu ferner Zeiten gesprochen wird. Für Frauen ist es weitaus unangenehmer, dass es sich dabei vielfach eben nicht um eine bewältigte Vergangenheit handelt, sondern sexuelle Gewalt und Belästigung fortdauernd und ständig die aktuelle gesellschaftliche Wirklichkeit und ihr persönliches Leben durchdringen.

In den vergangenen 60 Jahren ist in Deutschland vieles besser geworden: Das deutsche Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau trat erst am 1. Juli 1958 in Kraft. Bis dahin verloren Frauen ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen und waren dem „Letztentscheidungsrecht“ des Mannes unterworfen. Die „gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Ehe“ fiel erst 1977. Erst seit 1994 hat nicht nur die Gleichberechtigung, sondern auch ihre Durchsetzung Verfassungsrang. Erst seit 1997 ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Erst seit November 2016 gilt die sexuelle Belästigung mit körperlicher Berührung als Straftat. Nichts davon wurde mit Schweigen erreicht. Unrecht verschwindet nicht auf einen Bundestagsbeschluss hin, sondern erst mit der Durchsetzung von Recht und der tagtäglichen gesellschaftliche Praxis. Und die fängt immer mit Reden an.