Meinung Der Wind dreht sich — er weht VW ins Gesicht
Es ist nur ein indirekter Sieg der von manipulierter Abgas-Software betroffenen Kunden. Landgericht und Oberlandesgericht Düsseldorf sagen, dass Rechtsschutzversicherer ihren Kunden eine Deckungszusage und damit grünes Licht für einen Prozess gegen VW geben müssen.
Weil „hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung“ besteht. Damit ist nicht gesagt, dass der Autokäufer seinen Prozess am Ende gewinnt. Aber unwahrscheinlich ist es eben auch nicht.
Der Wind dreht sich. Er bläst VW ins Gesicht. Vielleicht geht sie ja doch nicht auf — die Taktik, die Sache so lange auszusitzen, bis Ansprüche der Kunden Ende 2018 verjährt sind. Und man dann, falls die Behörden gar nicht mehr anders können, als die Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen, achselzuckend sagt: Sorry, nun ist es zu spät. Um eben dies zu vermeiden, ist es keinem Autokäufer zu verdenken, seine Rechte per Klage zu sichern. Schließlich steht nicht nur für VW viel auf dem Spiel, sondern auch für jeden einzelnen Autokäufer. Der Kauf eines Pkw ist meist die zweitgrößte Investition im Leben — nach dem Immobilienkauf.
Aber muss man nicht Mitleid haben mit VW? Wie soll das Unternehmen, das in Europa mit mehr als acht Millionen Fällen und nicht nur wie in den USA mit rund 500 000 Betroffenen rechnen muss, reagieren, wenn es wirtschaftlich dadurch angeschlagen würde? Doch Mitleid ist eine falsche Kategorie, nachdem bewusst manipuliert wurde. Nachdem die eigene Kundschaft und die Behörden bewusst getäuscht und die Gesundheit der Menschen durch höhere Emissionen gefährdet wurden. Mitleid ist auch deshalb unangebracht, weil VW mit seiner Hinhaltetaktik die Kundschaft ein zweites Mal vor den Kopf stößt.
Möglich ist all das, weil in Deutschland die Rechtslage — anders als in den USA — eher verbraucherfeindlich ist. Verunsicherte Kunden scheuen den kostenträchtigen und ungewissen Weg der Klage. Und wenn dann noch Rechtsschutzversicherer bremsen, ermutigt das auch nicht gerade. Der nun vielfach beschrittene Weg einer Abtretung der Forderung an Inkassofirmen sollte eine vorübergehende Krücke bleiben. Wir brauchen so etwas, wie es Noch-Justizminister Heiko Maas erfolglos angeregt hatte — eine Musterfeststellungsklage. Im Fall VW kommt das zu spät, aber das sollte eine Lehre sein. Das Ungleichgewicht zwischen Unternehmen und Verbrauchern muss neu ausbalanciert werden.