Meinung Theresa May geht es um die Macht, nicht um die Nation
Die britische Regierungschefin Theresa May macht Nägel mit Köpfen. Sie nutzt die Gunst der Stunde und setzt doch auf Neuwahlen. Dass sie diese bisher ausgeschlossen hatte, kümmert sie nun nicht mehr.
Sie wittert ihre Chance, Macht und Einfluss auszubauen. Nur darum geht es, denn rein sachlich gibt es keinen Grund für Neuwahlen. Regulär hätten die Briten erst im Jahr 2020 wählen müssen.
Die Regierungschefin begründet Neuwahlen nach außen vor allem damit, dass sie eine starke Mehrheit für ihre Brexit-Verhandlungen mit der EU benötigt. May ist nicht durch das Votum der Wähler an die Macht gekommen. Jetzt, so sagt sie, will sie eine eigene Mehrheit im Unterhaus erzielen und damit auch ein Signal Richtung EU senden: Ich habe das Votum meines Volkes, eine starke und unnachgiebige Verhandlungspartnerin beim Brexit zu sein.
Doch diese Argumentation ist nur vorgeschoben: Sie erhofft sich nach der Wahl am 8. Juni vor allem eine deutliche Stärkung ihrer Position und ihrer Partei. Sie will die Macht der Konservativen am liebsten auf Jahre zementieren. Die Umfrageergebnisse sprechen dafür: Die Konservativen liegen weit vor Labour. Das ist aber weniger das Verdienst von May, sondern vor allem der eklatanten Schwäche der Opposition zuzuschreiben. Der umstrittene, linksradikale Parteichef Jeremy Corbyn ist für viele Briten einfach unwählbar. Aber es geht May nicht nur darum, die Opposition in die Schranken zu weisen. Mit einem starken Ergebnis kann sie auch gleich ihre internen Kritiker auf einen Schlag kaltstellen.
Mays Vorgänger David Cameron hatte die Brexit-Abstimmung vor allem mit dem Ziel angesetzt, seine Position zu stärken. Mit selbstverliebter Arroganz war er davon ausgegangen, dass sein Volk schon nicht mehrheitlich für einen Brexit stimmen wird. Der Austritt der Briten aus der EU ist quasi das Ergebnis eines vollkommen falsch eingeschätzten Machtspiels. Dafür hat Cameron mit seinem Amt bezahlt.
Nun nutzt auch Theresa May das Thema Brexit aus partei- und machtpolitischem Kalkül. Ein fatales Signal. Die Haltung zu Europa hat eine viel zu große Dimension, als dass sie zum Spielball solcher Interessen werden darf. Zudem bringt es der Wahlkampf mit sich, dass sich die Tonlage der britischen Politiker in Richtung EU deutlich verschärfen wird. Keine gute Ausgangsposition für sachliche Verhandlungen.