Meinung Türkei-Besuch - In schwerem Fahrwasser
Von normalen politischen Beziehungen sind Berlin und Ankara nach wie vor meilenweit entfernt. Das zeigt sich schon an den besonderen Umständen der Stippvisite von Binali Yildirim in der deutschen Hauptstadt.
Seit rund zwei Jahren ist Yildirim türkischer Ministerpräsident. Doch erst jetzt macht er Angela Merkel im Kanzleramt seine Aufwartung. Und womöglich hätte er noch länger auf sich warten lassen, gäbe es da nicht zarte Ansätze eines politischen Tauwetters. Plötzlich scheint die Freilassung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in greifbare Nähe gerückt zu sein.
Yildirim persönlich hat die Erwartungen befeuert. Und weil der Mann ein Intimus von Präsident Recep Tayyip Erdogan ist, darf man getrost davon ausgehen, dass es sich nicht um eine Einzelmeinung im türkischen Machtapparat handelt. Sind Erdogan und Yildirim also plötzlich lupenreine Demokraten geworden? Keineswegs. Die leichte Entspannung hat eher mit der politischen Großwetterlage zu tun. Wegen ihrer aggressiven Haltung gegenüber den Kurden legt sich die Türkei inzwischen sogar mit den USA an. Da kann Ankara schlecht auch noch mit Deutschland als dem wichtigsten europäischen Staat hoffnungslos verfeindet sein.
Zugleich muss die Türkei an engeren Beziehungen mit der EU interessiert sein, denn die einheimische Wirtschaft schwächelt — und man erhofft sich natürlich weitere militärische Hilfen aus Berlin. In dieser Situation wird die deutsche Türkei-Politik zum Balance-Akt. Die Kanzlerin spricht treffend von schwerem Fahrwasser. Zumal die rechtsstaatlichen Prinzipien in der Türkei längst nicht nur im Fall Yücel mit Füßen getreten werden.
Selbst wenn er bald frei kommen sollte, darf Berlin nicht den Mantel des Schweigens über diese Zustände ausbreiten. Und einen schmutzigen Deal „Freilassung gegen Waffen“ darf es schon gar nicht geben. Das wäre politisch verheerend.