Meinung Kein Denkverbot bei ÖPNV

Die Idee für einen ticketfreien Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) lässt sich leicht als „Freibier für alle“ verspotten. Oder es wird gesagt, die Sache sei nicht ernst gemeint, sondern nur eine Beruhigungspille der geschäftsführenden Bundesregierung an Brüssel — dass man was tue in Sachen Luftreinhaltung.

Foto: Sergej Lepke

Oder es wird argumentiert, dass Bahnen und Busse doch jetzt schon voll sind. Und wie das erst werden soll, wenn die Fahrt gratis ist.

Bedenkenträger, wohin man blickt. Aber die Realität — verpestete Luft, drohende Fahrverbote und die tägliche Zeitvergeudung im Stau — die nimmt man hin.

So exotisch, wie sie jetzt dargestellt wird, ist die Idee eines Gratis-ÖPNV nicht. Im estnischen Tallinn, im brandenburgischen Templin und andernorts wurde und wird sie schon ausprobiert. Eine Enquetekommission des NRW- Landtags hat sich in der vergangenen Legislaturperiode auch schon damit befasst. Gäbe es nicht das Internet, in dem der 354 Seiten dicke Bericht der Kommission abrufbar ist, würden die darin enthaltenen Vorschläge wohl in Regalen verstauben. Zu Unrecht. Eine Partei, die dem Landtag nicht mehr angehört, die Piraten, hat sich dort mit guten Argumenten für den ticketfreien Nahverkehr ins Zeug gelegt.

Dass das Ganze nicht kostenfrei ist, sondern irgendwer die Rechnung bezahlt, ist klar. Entsprechend dem Semesterticket bei den Studenten würde jeder Bürger zur Kasse gebeten. Also auch derjenige, der den ÖPNV nicht oder selten nutzt. Aber wenn man sowieso zahlen muss, würde auch der Anreiz größer, vom Auto umzusteigen. Wer das nicht will, sollte nicht meckern, schließlich hat er dann mit seinem Auto mehr Platz auf der Straße.

Denkverbote jedenfalls sollten bei diesem Thema tabu sein. Und wenn von den Kosten des Projekts die Rede ist, sollte man auch daran denken: Die Justiz spart viele Kapazitäten, wenn sie Schwarzfahrern nicht mehr hinterherjagen muss.