Meinung Wehrhahn—Anschlag - Viele Fragen sind noch offen

Sie soll das Ende der Ermittlungen rund um den Wehrhahn-Anschlag im Jahr 2000 markieren — und doch wirft die Festnahme des Verdächtigen Ralf S. auch viele Fragen auf. Hätte man ihn nicht längst verhaften können?

Foto: Judith Michaelis

Oder noch schlimmer: Reicht das, was die Ermittler haben, vielleicht auch heute noch nicht aus, um den mutmaßlichen Täter auch wirklich wegen versuchten Mordes in mehreren Fällen hinter Schloss und Riegel zu bringen?

Viele Hinweise auf S. gab es schon rasch nach der Tat — die Wohnung etwa, in der die Bombe gebaut worden sein soll, seine Soldaten-Vergangenheit, sein Ausländerhass. War man nicht mutig genug, ihn in Haft zu bringen? Und dann seither: Hätte man den Zeugen, die damals gar nicht oder — offensichtlich eingeschüchtert — wohl nicht wahrheitsgemäß ausgesagt hatten, nicht vor fünf oder zehn Jahren schon erneut zu Leibe rücken können? Die neuen Methoden, mit denen die Bombe jetzt wieder untersucht wurde, gibt es sie wirklich erst seit Allerneuestem?

Einig sind bei der Düsseldorfer Polizei und Staatsanwaltschaft immerhin alle, dass die Indizien von 2000 nicht für eine Verhaftung ausreichten. Die Ermittler der Landeshauptstadt hatten zuvor in einem Mordfall bitteres Lehrgeld gezahlt: 1993 war eine 28-Jährige in einer Videothek getötet worden, den mutmaßlichen Täter stellte man vier Jahre später mit einer Reihe von Indizienbeweisen vor Gericht — das ihn freisprach. Später mit neuen Analysemethoden überführte ihn ein DNA-Treffer zweifelsfrei — doch das deutsche Recht verbietet nach einem Freispruch eine erneute Anklage. Der Mann blieb auf freiem Fuß, bis er 2009 an Krebs starb. Und bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft blieb die Erkenntnis, dass man besser erst prozessiert, wenn die Beweislage keinen Zweifel mehr zulässt.

Ob das im Falle Wehrhahn jetzt der Fall ist, bleibt die ganz große Frage. Noch immer stützen sich die Vorwürfe gegen S. auf Indizien — und Aussagen von Straftätern oder Menschen, die lange geschwiegen oder sogar seinerzeit gelogen haben. Chef-Ermittler Udo Moll spricht aber auch von weiteren Details, die er noch nicht präsentieren kann, um das Verfahren nicht zu gefährden. Für die Opfer und für die Gerechtigkeit bleibt nun zu hoffen, dass diese Details als zusätzliche Glieder die Beweiskette so fest schließen können, dass die abscheuliche Tat nach all den Jahren tatsächlich gesühnt wird.