Meinung Der starke Auftritt des Martin Schulz
Martin Schulz hat geliefert. Er werde die „hart arbeitenden Menschen“ in den Mittelpunkt seiner Politik stellen, so der SPD-Kanzlerkandidat in seiner Nominierungsrede. Das klingt gut, das wollen die Genossen hören.
Schulz kritisiert Konzerne, die keine Steuern zahlen, er geißelt die hohen Mieten in Ballungsräumen, die sich Familien trotz zweier Einkommen nicht mehr leisten könnten. Und er prangert an, dass Manager trotz Fehlleistungen Millionen-Boni einstreichen. Seine Botschaft: Ich stehe für Gerechtigkeit. Geschickt entwickelt Schulz aus angeblichen Schwächen (kein Abitur, kein Studium, früher mal ein Alkoholproblem) die Basis seiner Glaubwürdigkeit: Er sei der Sohn einfacher Leute, der die Alltagssorgen der Menschen selbst erlebt habe.
Der 61-Jährige aus Würselen scheint das Zeug zu haben, für die Kanzlerin ein ernsthafter Gegner zu werden. Angela Merkels Rhetorik ist bisweilen lähmend. Sie schafft es nicht, die Menschen mitzureißen. Ihr geht die Fähigkeit ab, gesellschaftliche Ziele zu formulieren. Das ist bei Schulz anders. Und er hat einen klaren Machtanspruch, will die SPD zur stärksten politischen Kraft machen. Das erscheint immer noch äußerst unwahrscheinlich. Anders als vor zwei Wochen wirkt ein solcher Anspruch aber nicht mehr lächerlich. Allerdings: Schulz muss sagen, wie seine Politik der Gerechtigkeit aussieht. Zum Beispiel bei Rente und Altersarmut. Will er sich von der Agenda 2010, dem Kernstück der Arbeit des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, verabschieden? Es wäre die Abkehr von einem Programm, das trotz aller Schwächen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands nachhaltig gestärkt hat.
Überraschend klar positioniert sich Schulz in der Außenpolitik. Den neuen US-Präsidenten nennt er „unverschämt und gefährlich“. Das Einreiseverbot für Muslime aus einigen Ländern sei „ein Tabubruch, der unerträglich ist“. Sollte Schulz tatsächlich Kanzler werden, nimmt er ein schwieriges Verhältnis zu Donald Trump bewusst in Kauf. Auf Konfrontation geht der Sozialdemokrat auch bei der Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Schulz baut Druck gegen jene Länder auf, die sich bisher weigern, ihren Beitrag zur Aufnahme der Asylbewerber zu leisten. Ganz offen droht er damit, Geld aus EU-Töpfen zu kürzen, wenn eine faire Verteilung der Flüchtlinge weiter blockiert wird. SPD-Kanzlerkandidaten sind schon schlechter in den Wahlkampf gestartet als Schulz.