Meinung Wir verraten alles über uns — sogar ohne Worte

Die Digitalisierung kann für chronisch Kranke ein Segen sein. Es gibt sinnvolle Medizin-Apps, die den Umgang mit der Krankheit und das Zusammenspiel mit dem behandelnden Arzt erleichtern. Auch können Fitness-Apps und die damit mögliche Beobachtung des eigenen Bewegungsverhaltens eine Motivation bedeuten, gesünder zu leben.

Foto: Sergej Lepke

Doch so spielerisch das Ganze daherkommt, so ernst sind auch die Risiken.

Rückblick: In den 1980er Jahren war die Volkszählung noch von massiven Boykottaktionen begleitet. Am Ende schlug sich sogar das Bundesverfassungsgericht auf die Seite der Widerstand Leistenden. Ein neues Grundrecht wurde kreiert — das Recht auf informationelle Selbstbestimmung: ein jeder soll Herr über seine persönlichen Daten sein. Die damaligen Protestler hätten sich nicht (Alp-) träumen lassen, welcherart sensible Daten nachfolgende Generationen einmal preisgeben würden. Ganz freiwillig.

Die Weitergabe eigener Daten bezieht sich nicht nur auf das alltägliche Ausplaudern mehr oder weniger intimer Geschichten in sozialen Netzwerken. Freigebig werden auch mittels der auf dem Smartphone gefütterten Apps die eigenen Gesundheitsdaten auf Server irgendwo auf der Welt geladen. Mit jedem Schritt, mit jedem Pulsschlag. Was mit den Daten geschieht, ob sie an Dritte weitergegeben werden, was diese wiederum damit machen — keiner weiß es. Ohne diese gelesen zu haben, wird an die Geschäftsbedingungen der App-Anbieter ein Häkchen gemacht. Die Daten lassen sich nicht mehr zurückholen, nicht mehr löschen. Sind in fremden Händen.

Und dann gibt es da noch die Versprechen, dass die Nutzer demnächst gegenüber der Krankenkasse ihre per App belegte gesunde Lebensweise nachweisen können. Der dabei versprochene Beitragsrabatt für die jungen Gesunden muss freilich von anderen bezahlt werden. Von denen, die nicht mitmachen, weil sie sich gerade nicht nackt machen wollen. Oder von denen, die alt und krank sind. Solidarität in der Krankenversicherung wäre dann ein Wort aus ferner Vergangenheit. So wie der einstige Widerstand gegen die Volkszählung.

Übrigens: Um zu zählen, wie viele Schritte man täglich geht, gibt es kleine Dinger, die man sich in Tasche steckt und die das Ergebnis niemandem verraten. Schrittzähler heißen sie und funktionieren prima. Aber so ein Tipp ist wohl zu altmodisch.