Impfstoff-Zulassung Alle Augen auf die Ema: So prüft die EU-Behörde die Corona-Impfstoffe

Berlin · Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Die ersten Pharmafirmen möchten von der EU die Erlaubnis für ihren Corona-Impfstoff. Wie läuft die Zulassung ab und wann kann schließlich geimpft werden?

Wie läuft die Zulassung des Corona-Impfstoffs ab und wann kann schließlich geimpft werden?

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Im Wettlauf um einen Corona-Impfstoff haben Hersteller zu Wochenbeginn gleich für zwei Vakzine die Zulassung in der EU beantragt. Der Mainzer Hersteller Biontech zusammen mit dem US-Pharmariesen Pfizer sowie das US-Unternehmen Moderna hoffen darauf, möglichst bald eine sogenannte bedingte Zulassung zu bekommen. Nun ist die Europäische Arzneimittel-Agentur (Ema) am Zug. Die Anzeichen verdichten sich, dass bereits in diesem Jahr ein Impfstoff zugelassen werden könnte. Die wichtigsten Antworten zum Zulassungsprozess - und wie es danach weitergeht.

Wie läuft eine Zulassung in Europa generell ab?

Da heute praktisch kein Impfstoff mehr ausschließlich für den deutschen Markt zugelassen wird, ist dieses Verfahren größtenteils durch das zentrale europäische Zulassungsverfahren ersetzt worden. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (Ema) mit Sitz in Amsterdam ist dabei als zentrale Prüfstelle zuständig. Nach einem Prüf-Verfahren gibt der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) eine Empfehlung über den Zulassungsantrag ab. Diese bildet die Basis für die endgültige Zulassungsentscheidung durch die EU-Kommission. In der Regel folgt die Kommission der Ema-Empfehlung.

Was bedeutet das neue Rolling-Review-Verfahren?

Die Zulassungsanträge für Corona-Impfstoffkandidaten können in einem „Rolling-Review“ bewertet werden - das ist sowohl bei Moderna als auch beim aussichtsreichen Vakzin von Biontech/Pfizer der Fall. Das Verfahren dient der Beschleunigung der Bewertung durch die Ema. Die Beurteilung des Impfstoffkandidaten wird bereits begonnen, bevor alle erforderlichen Daten für einen „normalen“ Zulassungsantrag eingereicht wurden. Die Ema bietet bereits während der Entwicklung schnelle wissenschaftliche Beratung mit einer eigens ins Leben gerufenen Covid-19 Task Force (Etf). Trotz Beschleunigung bleiben die Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der betreffenden Arzneimittel nach Aussage der Ema unverändert hoch.

Wie lange dauert nun die Prüfung der Ema?

Die Europäische Arzneimittel-Agentur Ema will noch im Dezember über eine Zulassungsempfehlung für den Corona-Impfstoff der Mainzer Firma Biontech und des US-Pharmakonzerns Pfizer entscheiden. Bis spätestens 29. Dezember soll ein Ergebnis der Prüfung vorliegen, teilte die Agentur am Dienstag in Amsterdam mit. Zum Antrag des US-Konzerns Moderna auf Zulassung seines Impfstoffs werde eine Entscheidung bis zum 12. Januar erwartet.

Was genau prüft die EMA während des Zulassungsprozesses?

Die Vorteile eines Covid-19-Impfstoffs müssen nach EU-Arzneimittelgesetzgebung weitaus größer sein als alle Nebenwirkungen oder potenziellen Risiken. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) mit Wissenschaftlern aus allen europäischen Zulassungsbehörden übernimmt die Beurteilung des neuen Mittels. Experten geben Einschätzungen zur Wirkung des Arzneimittels ab und äußern sich zu Unsicherheiten der Daten. Außerdem können sie dem Antragssteller weitere Fragen stellen. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bewertet die Arzneimittelsicherheit.

Wie entscheidet die Kommission?

Ein Kommissionssprecher sagte am Dienstag, das Verfahren könnte nach einer Ema-Empfehlung binnen Tagen abgeschlossen sein. Vor der Entscheidung der Kommission werde Rücksprache mit einem Expertengremium gehalten, in dem alle EU-Staaten vertreten sind. Dieses muss mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.

Was bedeutet eine bedingte Zulassung?

Im Falle der beiden nun zu prüfenden Impfstoffe soll es eine bedingte Zulassung geben. Eine solche Zulassung soll dringliche medizinische Bedürfnisse befriedigen. Die Ema schreibt dazu: „Im Interesse der öffentlichen Gesundheit kann den Antragstellern eine bedingte Genehmigung für das Inverkehrbringen solcher Arzneimittel erteilt werden, wenn der Nutzen einer sofortigen Verfügbarkeit das Risiko, das von weniger als normalerweise erforderlichen Daten ausgeht, überwiegt (...).“ Die Zulassungsauflagen schreiben vor, dass fehlende Daten beispielsweise zur Langzeitwirksamkeit oder Daten in bestimmten Subgruppen so schnell wie möglich nach Zulassung nachgereicht werden müssen. Eine bedingte Zulassung gilt für ein Jahr und kann verlängert werden.

Wie schnell nach der Zulassung können die ersten Menschen geimpft werden?

„Ein Impfstoffes darf (..) nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie von der zuständigen Bundesoberbehörde freigegeben ist“, heißt es im Arzneimittelgesetz. Diese Prüfung nimmt nach der EU-Zulassung das Paul-Ehrlich-Institut in Berlin vor. Wie lange diese Prüfung dauert beantwortete das Institut aus dpa-Anfrage nicht. Da nach Ansicht des Gesundheitsministeriums zu Beginn nicht ausreichend Impfstoff zu Verfügung steht, um den gesamten Bedarf zu erfüllen, sollen prioritär bestimmte Risikogruppen geimpft werden. Die Priorisierung des Ministeriums erfolgt unter der Mithilfe des Deutschen Ethikrats und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Wie ist der Stand der Vorbereitungen auf die Impfungen in Deutschland?

Bund und Länder stellen sich darauf ein, dass „bei bestmöglichem Verlauf“ noch im Dezember mit ersten Impfstoff-Lieferungen gerechnet werden kann. Die Länder haben dem Bund dafür rund 30 Anlieferstellen genannt. Impfungen sollen dann zunächst über regionale Impfzentren der Länder und mobile Teams laufen, die in Pflegeheime oder Kliniken gehen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung soll „standardisierte Module“ entwickeln, damit Patienten telefonisch und digital Termine vereinbaren können. Im Detail festzulegen ist zudem die Reihenfolge von Impfungen - die kann auch davon abhängen, welcher Stoff zuerst verfügbar und für welche Gruppen verträglich ist. Generell sollen Risikogruppen und Gesundheitspersonal Priorität haben. Die Regierung hat mehrfach klar gemacht, dass es keine Impfpflicht geben soll.

(dpa)