Unter dem Titel „Abgefackelt“ fand im Zakk eine spannende und kenntnisreiche Lesung zu einer Düsseldorfer Aktion im Jahr 1965 statt: Eine Gruppe des evangelischen Jugendbundes „für entschiedenes Christentum“ warf unter dem Absingen frommer Lieder Werke von Kästner, Grass, Camus, Sagan und Nabokov ins Feuer. Es geschah am Erntedanksonntag des Jahres und ein Redner sprach von einem „Akt der Notwehr“. Das Ordnungsamt hatte die Aktion offiziell genehmigt.
Im Zakk ging es den Veranstaltern von Heinrich-Heine-Salon und Düsseldorfer Aufklärungsdienst um die historische und politische Einordnung der nunmehr 60 Jahre zurückliegenden Aktion. Der erste gelesene Text stammt aus Goethes Lebenserinnerungen „Dichtung und Wahrheit“: Darin schildert die Dichter, wie er selbst Zeuge einer Bücherverbrennung des Jahres 1758 wurde. Diese erfolgte mit einem pompösen Spektakel sowie Richtern in vollem Ornat.
Hingegen trug die Düsseldorfer Aktion mit nicht sehr vielen Akteuren und Schaulustigen eher Züge einer Provinzposse. „Warum graben wir ihn trotzdem aus? Weil er von dumpfem, in diesem Fall religiös motiviertem Fanatismus handelt. Und von Verharmlosung“, sagte Olaf Cless zu Beginn des zweistündigen Abends an der Fichtenstraße. Erich Kästner, der kurz nach Verbrennung zu einer Lesung nach Düsseldorf kam, verfasste unter dem Eindruck der Affäre einen Text mit dem Titel „Lesestoff, Zündstoff, Brennstoff“. Das verbrannte Kästnerbuch hieß „Herz mit Taille“ und erschien 1928 als erste von ihm veröffentlichte Gedichtsammlung. Als er und sein Freund – der Zeichner Erich Ohser – daraufhin in Leipzig Scherereien bekamen, zogen sie nach Berlin.
Von Françoise Sagan stammte der verbrannte Roman „In einem Monat, in einem Jahr“. Darin geht es um die Zerbrechlichkeit der Liebe, wie man auch den Buchtitel verstehen kann. Die Düsseldorfer „entschiedenen Christen“ wussten wohl nichts weiter über Françoise Sagan. In ihrem Glaubensleben beeinträchtigt fühlten sie sich aber durch den Franzosen Albert Camus. Ein Grund könnte sein, dass bei diesem Schriftsteller Gott keine nennenswerte Rolle spielte. Dass der Mensch für ihn vielmehr ein Sisyphos ist, der sein absurdes Schicksal zu tragen hat.
In Kästners empörtem Bericht von der Bücherverbrennung vermittelten Kay und Lore Lorentz vom Kabarett Kommödchen eine Unterhaltung mit dem Oberbürgermeister. „Im Amtszimmer wurden Kaffee und Zigaretten serviert. Reporter blitzten Fotos für die Morgenblätter. Das Ganze, so sagte der Oberbürgermeister, sei ein Dummerjungenstreich gewesen, den man nicht hochspielen sollte.“ Das aktuelle Programm des Kommödchens im Wahljahr 1965 hieß „Prost Wahlzeit“ und war natürlich zeitkritisch. Als es im Fernsehen übertragen wurde, gab es hasserfüllte Schreiben an die Familie Lorentz, sodass die Kinder nur noch unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen zur Schule gebracht werden durften.
Auf dem Scheiterhaufen der evangelischen Christen brannten auch Werke von Vladimir Nabokov und Günter Grass. Bei ersterem ging es natürlich um den Skandalroman „Lolita“. In die deutschen Kinos war 1962 Stanley Kubricks Verfilmung gekommen und hatte entsprechend Furore gemacht. Bei dem Roman „Hundejahre“ von Günter Grass bekam schließlich der Düsseldorfer Lokalpatriotismus schönen Stoff, sich aufzuregen: „Dieser Mostrichtklacks, angetrocknet zwischen Düssel und Rhein.“