Fastenzeit Durch Fasten Grenzen überwinden

Mit Aschermittwoch beginnt die Zeit des Verzichts. Das wird für viele Menschen zunehmend interessant — auch durch unerwartete Vorbilder.

Foto: Doro Siewert

Burscheid. Mittwoch beginnt die Fastenzeit. Und nachdem auch in Burscheid in den vergangenen Tagen der Karneval gefeiert wurde, stehen auch hier die Zeichen auf Verzicht. Denn Karneval kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Abschied vom Fleisch — es ging also um die letzten Tage, bevor dem Genuss zeitweise abgeschworen wird. Zumindest bis Ostern. Denn der Kirchenkalender sieht eine Fastenzeit von Aschermittwoch bis zum Karsamstag vor — 40 Tage, wenn man die Sonntage herausrechnet.

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Es ist die Zeit, die auf das größte christliche Fest, Ostern, vorbereitet, das Sterben und Wiederauferstehen Jesus Christus. Für Pfarrer Temur J. Bagherzadeh aus der Gemeinde St. Laurentius ist es eine Zeit der Besinnung auf den Glauben. Alles wird reduziert, aus dem Blick genommen, um es dann an Ostern neu zu entdecken. Nicht nur sprichwörtlich, sondern ganz real. Dafür steht auch das große, kunstfertige Hungertuch, dass in den beiden Kirchen der Gemeinde hängt. Es verhüllt den Blick auf das Gewohnte. Es ist ein sinnliches, ganzheitliches Fasten, das Bagherzadeh damit anspricht.

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Aber auch das körperliche Fasten ist Teil der Zeit. In seiner Gemeinde wird zumindest eine Woche lang Heilfasten angeboten — der Verzicht auf Nahrung, unter Aufsicht einer Heilpraktikerin. „Das Fasten, auch das körperliche Fasten wird wiederentdeckt“, sagt Bagherzadeh. Auch außerhalb der Religionsgemeinden. „Ich bin seit 15 Jahren Priester und ich sehe, dass jedes Jahr mehr Menschen fasten und das auch respektiert wird in der Gesellschaft.“

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Als Grund dafür sieht er etwa die Einwanderung aus muslimischen Ländern. Die Menschen sähen, dass die Muslime ganz selbstverständlich fasteten und seien inspiriert, sich mit den eigenen Bräuchen auseinanderzusetzen.

Ein bisschen so sieht das auch Marc Munz. Er ist Leiter des Jugendzentrums Megafon und startet am kommenden Samstag eine Aktion mit den Jugendlichen in seinem Haus — eine Fastenkarte. Jeder, der mitmachen möchte, soll sich überlegen, worauf er eine Woche verzichten möchte. Das schreibt er dann auf die Karte und nach einer Woche besprechen Munz und sein Team die Erfolge mit den Kids. „Es geht darum, zu fragen: Wie habe ich das durchgehalten? Darum, sich selbst einzuschätzen und zu beobachten“, sagt Munz.

Fasten sei in seiner Einrichtung etwas bekanntes, sagt Munz. Denn 90 Prozent der Kinder, die sich im Megafon aufhalten, sind Muslime. „Die Fasten ohnehin während des Ramadan, halten das strickt ein und sind da sehr konsequent“, sagt Munz. Darüber würde eben geredet, sagt er. Er habe aber den Eindruck, dass Religiosität und deren Bräuche einfach feststünden und nicht reflektiert würden. „Ich bin gläubig. Punkt.“ Das möchte Munz aber ändern. Etwa mit der Fastenkarten und den anschließenden Gesprächen.

Fasten ist für Munz ein Gleichnis, ein Begriff für den Verzicht auf die eigenen Bedürfnisse. Das muss nicht Essen sein, nicht Fleisch, nicht Schokolade. Der Bedürfnis-Klassiker bei Jugendlichen, sagt er, sei ja das Handy — oder gleich Whatsapp. „Vernetzung ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Lebens der Jugendlichen. In analoge Kommunikation zu gehen, ganz ohne Handy, das ist schwierig für sie.“ Ob sie deswegen auch darauf verzichten, wird sich zeigen. Es könnte sein. Es geht ja auch nur um jeweils eine Woche für die Jugendlichen. Sechs Wochen wären für viele wohl doch ein bisschen lang, meint Munz.

Mit der Aktion will er einen Impuls setzen, das Profil als katholische Einrichtung schärfen. Inspiriert durch die Alltäglichkeit der muslimischen Riten.

Das Hungertuch in der St. Laurentius Kirche zeigt zwei Menschen, die sich über eine Grenze hinweg berühren. Verbindung über Grenzen hinweg. Vielleicht passiert das gerade hier, am Beispiel des Fastens. Eine neue Verbindung.