Es fehlt an Wissen übers Essen
Ernährung lernt man in der Praxis, nicht in der Theorie. Das führe zu Konflikten — sagen Versorger von Schulen in Burscheid.
Burscheid. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Über Ernährung dagegen schon. Das kennt Ulrike Hanke schon seit vielen Jahren. Sie leitet den Trägerverein Betreuungsangebote in Burscheid, der den Offenen Ganztag an den drei Burscheider Grundschulen und auch deren Verpflegung organisiert. Jedes Jahr sei der Speiseplan wieder Thema bei den Elternversammlungen. „Viele Eltern finden, es gebe zu wenig Fleisch, andere meinen, es gebe zu viel“, benennt sie einen der Streitpunkte. „Das liegt an den individuellen Vorstellungen, was für die Kinder gut sei“, meint sie und benutzt bewusst den Konjunktiv. „Ich zweifele an, dass alle Eltern das wirklich wissen.“ Viele hätten vielmehr eigene Vorstellungen von richtiger Ernährung.
Dabei organisiert der Verein das Essen über einen Lieferanten, der sich an die Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) richtet. Die Qualitätsstandards für die Schulverpflegung gibt es seit 2007 — auf Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Sie regeln die Lebensmittelauswahl, die Herstellung, die Hygiene und sogar die Raumgestaltung. Die Standards wurden erarbeitet, um den neuen Strukturen der Schüler gerecht zu werden mit längeren Schulzeiten, aber auch, um den Trend zum Übergewicht einzudämmen. Mitgearbeitet haben Experten aus Theorie und Praxis. Vor Kritik schützt das die Caterer, die die Schulen beliefern, aber nicht.
Das Problem ist, dass viele Menschen sich nicht mit Nahrung auskennen — diesen Anspruch aber für sich erheben. Das weiß auch Daniela Zyball. staatlich geprüfte Gymnastikleiterin mit Zusatzzertifikat Ernährungsberatung. „Wir lernen das Essen beim Essen, nicht in der Theorie.“ Und wenn wir etwas falsch gelernt hätten, könne man das schlecht korrigieren. „Viele haben Halbwissen und nur ganz wenige befassen sich richtig mit dem Thema“, so Zyball.
Auch Uwe Nickut, selbst Caterer und Schulverpfleger für insgesamt 80 Einrichtungen, sieht das so. Der gelernte Metzger sagt, es fehle an Wissen über das Essen und vor allem an Wertschätzung. „In keinem anderen Land in Europa geben wir so wenig Geld für Essen aus wie in Deutschland.“ Nickut sagt, er würde sich freuen, wenn es mehr Streit ums Essen gebe. Und wenn Zertifikate wie das der DGE Pflicht wären. Er ist selbst gerade dabei, seinen Betrieb von der DGE zertifizieren zu lassen. Das Zertifikat der Hochschule Niederrhein hat er bereits.
Während es einerseits also zu wenig Wertschätzung gebe, gebe es andererseits aber gesteigerte Erwartungen, sagt Nickut. Eltern wollen als das aus ihrer Sicht bestmögliche Essen zum geringsten Preis. Davon weiß auch Ulrike Hanke zu berichten, Ihrem Verein fehlen dauerhaft etwa 20 000 Euro weil Eltern das Schulessen nicht zahlen würden. „Es gibt Eltern, die wollen das Geld eben sparen.“
Nickut sieht es wie Daniela Zyball. Beide meinen, es fehle an Aufklärung. Dann wäre auch Fleisch nicht so ein Streitpunkt. Für Daniela Zyball sind Streitigkeiten deswegen sowieso vorgeschoben. Die DGE werde schon nicht falsch liegen, sagt sie. Und wer seinem Kind doch etwas anderes oder etwas zusätzlich gebe wolle, könne das ja außerhalb der Schule tun. Die Verantwortung liege eben bei den Eltern.