Kultur „Es muss noch viel getan werden, um die Situation zu verbessern“

Köln · Die Kölner Blockflötistin Prof. Dorothee Oberlinger wurde gerade in Berlin vom Bundespräsidenten mit dem Verdienstorden geehrt. Oberlinger hat bis 2018 das Institut für Alte Musik am Salzburger Mozarteum geleitet und ist unter anderem Intendantin der Musikfestspiele in Potsdam.

Die Blockflötistin Prof. Dorothee Oberlinger wurde in Aachen geboren. Sie lebt in Köln.

Foto: © Henning Ross Fotografie/Henning Ross Fotografie

Sie arbeitet als Operndirigentin, Solistin und mit dem eigenen Ensemble. Wir haben die Künstlerin in Köln getroffen.

Wie haben Sie den Festakt im Schloss Bellevue erlebt?

Dorothee Oberlinger: Das war ein sehr eindrückliches Erlebnis. Zunächst gab es einen Anruf von meiner Plattenfirma Sony, wo der Brief des Bundespräsidialamtes gelandet war. Ich dachte zunächst, ich soll bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes als Musikerin auftreten. Dann habe ich erfahren, dass ich selbst geehrt werde. Der Tag der Verleihung war ziemlich stressig für mich, da ich am frühen Abend noch einen Auftritt im Kloster Maulbronn in Baden-Württemberg hatte. Aber ich wollte auf jeden Fall auch nach Berlin. Es war ein sehr schöner Festakt im Schloss Bellevue beim Bundespräsidenten. Da hat man sich sehr viel Mühe gemacht. Ich musste dann leider aber schnell wieder weg und habe dem Bundespräsidenten gerade noch zum Abschied eine CD von mir in die Hand drücken können. 

Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?

Oberlinger: Natürlich ist das Bundesverdienstkreuzes eine besondere Ehre. Und es ist gut, dass bei solchen Ehrungen auch an die Kultur gedacht wird. Jedoch muss auch erwähnt werden, dass neben solchen symbolischen Akten sich die Politik mit der Situation der meist freischaffenden Kulturschaffenden nun noch intensiver auseinandersetzen muss. Es muss noch viel getan werden muss, um die Situation zu verbessern. Die Corona-Krise hat die soloselbständigen Künstler aufs Härteste getroffen, viele hatten anderthalb Jahre lang quasi keine Einnahmen mehr. Und das, was an Fördermitteln für unseren Bereich zur Verfügung gestellt wurde, hat die weiterlaufenden Lebenshaltungskosten nicht annähernd abgedeckt. 

Wie sind Sie zu ihrem Instrument der Blockflöte gekommen?

Oberlinger: Dieses Instrument begleitet mich schon mein ganzes Leben und das Lernen damit hört nie auf. Leider wurde die Blockflöte lange als massenpädagogisches Instrument missbraucht. Das ändert sich gerade wieder. Es ist wichtig, Kinder das Instrument, das ihren Neigungen entspricht, selbst aussuchen zu lassen. Denn aus der Blockflöte bekommt man relativ schnell einen Ton heraus, wie dieser klingt, ist aber eine ganz andere Frage. Die Blockflöte ist ein Instrument mit vielen Vorzügen, aber auch mit Tücken. Bei mir war es meine Mutter, die mich zur Blockflöte gebracht hat. Sie hatte für sich und für mich Sopranflöten aus dem Urlaub mitgebracht. Wir haben uns das Spielen darauf selbst beigebracht. Meine Mutter war so auch meine erste Lehrerin. Ich habe die Blockflöte danach nie wieder aus der Hand gelegt, mit ihr bin ich am meisten verwurzelt. 

Was macht für Sie den Reiz der Blockflöte aus?

Oberlinger: Die Blockflöte ist ein sehr unmittelbares Instrument. Das ist Fluch und Segen zugleich. Man muss die Töne, die herauskommen, sehr intensiv pflegen. Ich mag auch das natürliche Material, aus dem dieses Instrument besteht. Es hat eine große Nähe zur Sprache und zum Gesang. Die Blockflöte kann zudem ein sehr virtuoses Instrument sein und es hat viele Register, mit dem man viele Fächer und Partien bedienen kann. Das ist für mich besonders reizvoll, da ich aus einer Orgelbauerfamilie stamme. Das Repertoire für die Blockflöte ist enorm vielfältig und reicht von der Alten Musik bis zur Moderne. Man kann damit unglaubliche Effekte erzielen, zum Beispiel, wenn man es perkussiv spielt. Und die Blockflöte ist ein Instrument, das man als Solist genauso einsetzen kann, wie in einem Ensemble. Auch das macht für mich den Reiz aus. 

Wie kann man junge Leute dafür begeistern. Lange war die Blockflöte der Schrecken der Kinderzimmer.

Oberlinger: Wenn junge Leute sich für ein Instrument begeistern wollen, hängt sehr viel vom Lehrer ab, der seine Schüler inspirieren muss. Es braucht auch gute Vorbilder. Bei mir war das der niederländische Blockflötist Frans Brüggen. Wenn man daraus, wie ich seinen Beruf machen möchte, muss man auch die entsprechenden Anlagen mitbringen. Ich habe 2002 mein eigenes Ensemble gegründet und konnte so auch dessen Dramaturgie sowie die Platten- und Konzertprogramme bestimmen. Vor einiger Zeit bin ich noch einen Schritt weitergegangen und arbeite als Operndirigentin. Schon als Solist steuert man ein Orchester, da war der Schritt zum Dirigat nur konsequent. Auch Brüggen hat später als Dirigent gearbeitet. Die Hauptarbeit liegt da bei den wochenlangen Proben. Ich versuche bei den Opern, die ich dirigiere, immer wieder Raritäten aus dem Barock auszugraben und diese ins 21. Jahrhundert zu transportieren. 

Sie haben im Mozarteum in Salzburg als Professorin das Institut für Alte Musik geleitet und leben in Köln, einer Stadt, in der die Alte Musik ebenfalls eine große Rolle spielt.

Oberlinger: Die Leitung des Instituts habe ich 2018 aufgegeben, als ich Intendantin der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci geworden bin. In der Barockstadt Salzburg konnten wir ein tolles und florierendes Institut aufbauen, für das inzwischen zehn Professuren geschaffen wurden. In Köln hat die Geschichte der historischen Aufführungspraxis bereits in den 50er Jahren begonnen. Damals hat man die historischen Instrumente als besondere Klangkörper für sich entdeckt. Heute gibt es erfolgreiche Festivals wie Felix in der Philharmonie, mit Zamus ein Zentrum für Alte Musik und bekannte Ensemble wie Concerto Köln. Es finden sich aber auch in der Schweiz, in den Niederlanden und in Belgien Zentren für Alte Musik, die gerade überall auf dem Siegeszug ist. Man hat erkannt, dass der Einsatz historischer Instrument einfach adäquater ist, auch beim Komponisten wie Wagner oder Bach. Man kann den Klang aus den vergangenen Jahrhunderten zwar nicht zu 100 Prozent wiedergeben, man kann das Wissen aus diesen Epochen aber mitnehmen, um die Musik weiterzuentwickeln. Das steht auch bei den Musikfestspielen in Potsdam und bei den von mir ebenfalls geleiteten Barockfestspielen in Bad Arolsen im Mittelpunkt. Gerade die historischen Räume wie im Schlosstheater sind für solche Konzerte sehr reizvoll. 

Wie fühlt es sich für Sie als Musikerin an, jetzt wieder auf Tour gehen zu können?

Oberlinger: Im Moment ist da bei mir unglaublich viel los. Neue Termine treffen auf die, die man im Vorjahr verschieben musste. Häufig gibt es statt einem Konzert auch zwei, weil die Zuschauerkapazitäten noch beschränkt sind. Das ist für Musiker durchaus eine Herausforderung. Das Verhalten des Publikums ist noch recht unterschiedlich. Viele, ältere Menschen trauen sich noch nicht raus zu gehen und Konzerte zu besuchen. Andere Häuser wie die Staatsoper in Berlin sind dagegen schon wieder gut gefüllt.