Hermann-Josef Tebroke: Den Neuanfang hat er noch nie gescheut
Hermann-Josef Tebroke kommt aus der Wissenschaft, ist Bürgermeister von Lindlar — und CDU-Kandidat in Rhein-Berg.
Rhein.-Berg. Kreis. Hermann-Josef Tebroke ist oft umgezogen in seinem Leben. Würde er am 20. November oder — bei einer Stichwahl — am 4. Dezember Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises, er müsste nicht noch einmal umziehen. In Bergisch Gladbach ist er vermutlich mindestens so schnell wie in Burscheid.
„Ich habe dem erneuten Berufswechsel zugestimmt, weil unsere Kinder inzwischen in einem Alter sind, wo sie einander schon gut unterstützen“, sagt Sabine Tebroke, Ehefrau des Bürgermeisters von Lindlar. Der wohnt unweit des Bergischen Freilichtmuseums am Waldrand.
Den beiden ist bewusst, dass es bis zur Wahl anstrengende Wochen sind. „Ich fahre im Moment doppelte Schichten“, sagt der 47-Jährige. Und achtet nach Angaben seiner Frau peinlich genau darauf, sich nichts nachsagen lassen zu müssen, zum Beispiel beim Einsatz von Dienst- und Privatwagen.
„Zehn Jahre leben wir jetzt in Lindlar — so lange wie noch nie an einem Ort“, sagen Sabine und Hermann-Josef Tebroke. Sie kommen aus Bocholt, waren jeweils sieben Jahre in Münster und Lechfeld nahe Augsburg, bis sich die Gelegenheit ergab, im Bergischen Land das Haus seines Onkels zu übernehmen.
Am Kapuziner-Gymnasium belegte das älteste von fünf Kindern die Leistungskurse Mathematik und Religion. Als es ernst wurde, bewarb Tebroke sich bei der Post und bei einer Bank um Praktikumsplätze. Die Post sagte ab. Er studierte in Münster Betriebswirtschaft (Finanzwirtschaft und Bankwesen).
Und saugte eine Menge Motivation daraus, die Verbindung zwischen Universität und Praxis herstellen zu können, weil er während der Semesterferien in die Bank ging. „Es ist wichtig, dass sich das eine nicht vom anderen trennt.“
Tebroke promovierte über den Zusammenhang von Größe und Fusionserfolg bei Genossenschaftsbanken, wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter, und als sein Doktorvater nach Augsburg ging, ging er mit. Erhielt nach der Habilitation erst einen Lehrauftrag in Essen, 1999 in Hamburg, 2001 ein Angebot aus Bayreuth.
„Es war super. Das habe ich gerne gemacht.“ Hermann-Josef Tebroke strahlt in der Erinnerung und blendet dafür einen Moment aus, dass er viel Zeit auf der Autobahn bzw. in der Eisenbahn verbrachte, eine Wochenend-Ehe führte und Wochenend-Familienvater war.
Der Uni-Professor hatte seine persönlichen Umzugskartons (Richtung Augsburg) quasi gepackt, als ihn jemand, „den ich flüchtig kannte“, aus Lindlar ansprach: „Wollen Sie hier nicht Bürgermeister werden?“ Tebroke packte die Umzugskartons wieder aus. Weil ihn zwei Aussichten reizten: zu arbeiten, wo die Familie lebt; praktisch-politisch Verantwortung zu übernehmen.
Auch wenn die CDU seine Partei ist, kandidierte er beim ersten Mal noch ohne Parteibuch. Erhielt 2004 bei der ersten Wahl 60,6 Prozent, 2009 dann — die SPD stellte keinen eigenen Kandidaten auf, ist ihm aber heute böse, dass er gehen will — 82,8 Prozent.
Den Wechsel findet er bis heute „total gut“, trotz der schwierigen Zeiten. Tebroke sieht das als Aufbruch, etwas anders zu machen. „Wenn ich feststelle, dass wir bestimmte Dinge nicht mehr können, muss ich in einen Abwägungsprozess eintreten und klären, was mir das Wichtigste ist.“
Am meisten Freude macht dem Bürgermeister, „wenn es gelingt, etwas gemeinsam zu verwirklichen, was wir einzeln nicht hätten schaffen können“. Zum Beispiel als Kommune auf einer Landesstraße mit Eigenleistungen der Einwohner, Spenden und Beiträgen von Investoren einen Kreisverkehr zu bauen, von dem alle sagen: Das ist unser Kreisverkehr. Tebroke nennt mit Blick auf die Landrats-Kandidatur ein zweites Beispiel: interkommunale Zusammenarbeit.
Lindlar und Engelskirchen haben neuerdings einen gemeinsamen Betriebshof. Weil sie über die Gemeindegrenze hinausgeblickt haben. „Ich glaube, dass viele nicht kooperieren, weil sie Angst haben, den Gewinn daraus zu verteilen.“ Ein Kreis sei quasi ein geborener interkommunaler Kooperationspartner.
Tebroke findet es bedenklich, dass im Moment alle so tun, als würden die aktuell 350 Millionen Euro des Landes ausreichen, die Geldnöte zu lindern. „Wenn es uns nicht gelingt, strukturelle Unterfinanzierung abzubauen, ist das Ende noch früher da“, glaubt der Betriebswirt.
Kommunale Selbstverwaltung auch künftig zu sichern, das sieht der Kandidat als wesentliche Herausforderung. Ein politisches Programm wird er im Wahlkampf nicht vor sich her tragen. Kreatives Potenzial und Engagement sieht er aktuell mindestens so gefragt.
Zum Beispiel könnte er sich vorstellen, dass das Land Studiengebühren wieder einführt, um dafür Kindergartenbeiträge zu erlassen. Auch geht ihm völlig wider den Strich, dass irgendwelche Auflagen wegen fehlender sechs Quadratmeter einen Anbau fordern, wo die Kindertagesstätte erstens ein riesiges Außengelände hat und zweitens in wenigen Jahren kaum noch Kinder.
Da ist Kreativität willkommen. Von allen Seiten. Für ihn bedeute die Mitgliedschaft in der CDU nicht, „dass nur von der CDU gute Argumente kommen“. Tebroke: „Neue gute Ideen, die uns in der Sache weiterbringen, sind immer willkommen.“ Es sei doch „unverantwortlich, wenn gute Ideen nur deshalb nicht zum Zuge kommen, weil der Falsche den Antrag gestellt hat“.
„Wichtig ist, dass wir in der Sache weiterkommen“, sagt der Kandidat, „dass wir offen um gute Lösungen ringen — so funktioniert Demokratie.“ Und er hält auch gar nichts davon, als „Unterlegener“ getroffene Entscheidungen zu blockieren und zu verzögern, anstatt sie endlich umzusetzen. „Die Wertschätzung für den politisch Andersdenkenden muss immer gewährleistet sein.“