Automobilzulieferer In zehn Tagen durch das Leben und Leiden eines Autositzes

Mit dem neuen Shaker kann Johnson Controls alle denkbaren Belastungen seiner Sitzsysteme simulieren — bis hin zu Hitze und Eiseskälte.

Burscheid. Mit der Limousine über einen Highway in Kalifornien? Oder lieber mit dem Kleinwagen durch die Wüste von Nevada? Möglich ist auch ein Lkw-Trip nach Alaska. Man muss dafür nicht reisen. Nur einfach sitzen bleiben — auf dem neuen Schwingprüfstand von Johnson Controls (JC).

Mehr als zweieinhalb Jahre Vorbereitung stecken in dem Shaker, wie die Testanlage für Autositze auch salopp genannt wird. Seit Oktober vergangenen Jahres ist er aufgebaut, im Mai dann in Betrieb genommen worden. Beteiligt waren Experten aus Deutschland, den USA, Österreich, Tschechien und den Niederlanden. Weltweit gibt es in der Automobil-Zulieferbranche maximal sechs Anlagen dieser Leistungsfähigkeit. „Sie ist also durchaus ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Axel Blankart, Leiter der Versuchsabteilung und des Prototypenbaus beim weltweit führenden Hersteller von Autositzen.

Bei dieser Marktstellung soll es auch bleiben, bekräftigte Geschäftsführer Reiner Spatke am Freitag bei der offiziellen Präsentation des Shakers. Und dass die über zwei Millionen Euro am Standort Burscheid investiert wurden, ist angesichts der zuletzt so wechselhaften Meldungen über die Zukunft und Gestalt des Unternehmens schon unabhängig von der Leistungsfähigkeit der Anlage eine gute Nachricht. Bis zum Sommer nächsten Jahres soll die Automobilsparte von JC ein eigenständiges Unternehmen werden. Die Europazentrale in Burscheid mit ihrer Forschung und Entwicklung scheint dabei weiter eine zentrale Rolle zu spielen.

Der Shaker ist nicht der erste seiner Art in der Industriestraße. Der Vorgänger war 2004 in Betrieb genommen worden. Aber er verfügte nur über den Komfortmodus, mit dem die entwickelten Sitze durch reale Versuchspersonen auf Herz und Nieren getestet werden konnten.

Die neue Anlage kann auch auf Lebensdauerüberprüfung umschalten. Dann werden die Belastungen extrem, nur noch für Dummys zumutbar — zumal, wenn auch noch die früher nicht vorhandene Klimakammer eingebunden wird. Ob Wüstenhitze oder Eiseskälte, ob Schlaglochpiste oder Berg- und Talfahrt, keine Tortur wird den Sitzen erspart, um den Kunden später verlässliche Daten über die Haltbarkeit der Systeme liefern zu können.

Und die Anforderungen wachsen. Um die geforderten Abgassenkungen zu erzielen, geht es auch um „Gewichtsreduzierung der Komponenten“, sagt Spatke. Je schwerer ein Sitz, desto mehr verbraucht das Auto, in das er eingebaut ist. In den vergangenen fünf Jahren habe JC das durchschnittliche Sitzgewicht von 14 auf zehn Kilogramm senken können. Bis 2020 wolle man deutlich unter der Zehn-Kilo-Grenze liegen, so Spatke.

In der neuen Anlage treffen Theorie und Praxis aufeinander. In Testserien von gut einem bis hin zu zehn Tagen wird Leben und Leiden eines Autositzes von der Jungfernfahrt bis zur letzten Tour in Richtung Schrottplatz simuliert. Wenn der Fahrer auch dann noch angenehm und sicher sitzt, haben die Entwickler in Burscheid alles richtig gemacht.