Ferien Auf Entdeckertour durch die Stadt
Köln · „Urlaub in Köln“ bietet in den Sommerferien 34 Exkursionen an, bei denen die Teilnehmer bekannte Orte neu entdecken.
„Wir gehen mit einem ziemlich beschränkten Blickwinkel durch die Stadt. Da werden die Stolpersteine, die an Opfer der NS-Zeit erinnern, schnell zu Drüberlatsch-Steinen. Es ist gut, wenn man auch mal den Kopf senken muss und unten auf dem Boden die Geschichte entdeckt“, sagt Autor Bernd Imgrund, von dem die Idee zu den „111 Orten, die man gesehen haben muss“-Büchern stammt.
Aktuell nimmt er beim Ferienangebot der SK Stiftung Kultur „Urlaub in Köln“ Interessierte mit auch zwei von fünf Stolperstein-Touren durch die Südstadt sowie durch Sülz und Klettenberg, die jeweils etwa zwei Stunden dauern und die am 28. Juli bzw. am 4. Jugust jeweils um 16 Uhr starten. Die Stolpersteine werden seit 1992 vom Künstler Gunter Demnig in 24 europäischen Ländern verlegt – die meisten gibt es in Köln. Sie erinnern an Juden, Widerstandskämpfer, Homosexuelle und behinderte Menschen, die von den Nazis verhaftet, deportiert und ermordet worden sind.
Erinnerung an die jüdische Juweliersfamilie Goldschmidt
Dazu zählt auch die jüdische Juweliersfamilie Goldschmidt, die seit 1928 ihr Domizil unmittelbar gegenüber des Doms hatte. Das Gebäude ist wohl auch dank der Nähe zum Gotteshaus über den Zweiten Weltkrieg hinaus erhalten geblieben. Die Familie selbst floh 1937 aus Deutschland und wurde 1943 in Amsterdam von den Nazis verhaftet, deportiert und ermordet.
Drei goldene Stolpersteine erinnern vor dem Haus an Caroline, Ernst Richard und Hans Rudolf Goldschmidt. Ihre Leidensgeschichte entdeckt man nur bei gesenktem Blick auf die Erinnerungssteine. Am Haus sind noch Skulpturen zu sehen, die von dem während der NS-Diktatur hochanerkannten Künstler Willy Meller stammen. In Köln bekam er wegen seiner Vergangenheit zwar keine Aufträge mehr, dafür noch lange nach dem Krieg im Umland. Der Architekt des Hauses, Paul Bonatz, war selbst kein Anhänger der Nazis und baute im Stil des Traditionalismus.
Auch sonst gibt es rund um den Dom sehr viel zu entdecken, das man erst auf den zweiten Blick erkennen kann. Das gilt zum Beispiel für den Taubenbrunnen von Ewald Mataré direkt bei der Kreuzblume. Er sollte die Tauben vom Bahnhofsvorplatz mit Wasser versorgen, direkt vor dem Hauptbahnhof gab es keine Erlaubnis, den Brunnen zu installieren. Dass die Tiere ihr Wasserangebot trotzdem gefunden haben und immer noch finden, zeigen die vielen gefiederten Gäste, die hier ihren Durst im Sommer stillen.
Die Arbeiten von Mataré bedeuten auch den Beginn der modernen Skulptur. 1934 wurde er Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie – allerdings dank der Nationalsozialisten nur für sieben Monate. „Für Mataré war das Ornament das Wahre der Kunst“, sagt Expertin Ruth Wolfram, die rund um den Dom zu den Kunstwerken im öffentlichen Raum führt, mit Blick auf die Spirale im Brunnen und das Mosaik, das ihn umgibt.
Um es ist nicht das einzige Kunstwerk Mataré‘s – er hat auch die Türen am Südportal des Doms nach dem Krieg geschaffen. Damals war er wieder als Dozent an der Düsseldorfer Kunstakademie tätig. An den imposanten Türen waren auch Schüler Mataré‘s wie Joseph Beuys beteiligt. Insgesamt sind es mit der Pfingst-, der Bischofs-, der Papst- und der Schöpfungstür vier Eingänge, die nur an besonderen Festtagen und für besondere Persönlichkeiten offen stehen. Auch Papst Benedikt kam am Weltjugendtag so in den Dom.
Dass Künstler wie Mataré beauftragt worden sind, lag daran, dass sich die Kirche in der Reformbewegung der modernen Kunst öffnete, um die Menschen wieder in die Gotteshäuser zurückzuholen. Mataré war zudem oft für die Bundes- und die Landesregierung tätig. Zu sehen ist an der Pfingsttür beispielsweise Köln in Flammen mit einem Knochenmann, der den Hitlergruß zeigt und der Bomben mit sich führt – eine deutliche Warnung vor rechten Brandstiftern.
Nicht weit entfernt liegt der Heinrich-Böll-Platz mit der Philharmonie unter sich und dem Museum Ludwig neben sich. Gestaltet wurde der Platz vom israelischen Künstler Dani Karavan. Es gibt sowohl die große Stele als auch die Schiene, die zur Hohenzollernbrücke führt und die daran erinnert, wie tausende deportierte Juden den Weg über die Brücke nach Deutz und von dort in die Vernichtungslager nehmen mussten.
Leider war die Umsetzung des Platzes mit Fehlern behaftet, sodass die roten, wackeligen Pflastersteine zu echten Stolpersteinen wurde. Auch heute wird der runde Teil des Platzes noch bewacht, wenn in der Philharmonie darunter geprobt oder konzertiert wird, weil der Schallschutz nicht funktioniert – Kostenpunkt etwa 100.000 Euro pro Jahr. „Wichtig war Karavan, dass die Besucher selbst die begehbare Skulptur interpretieren und ihre eigenen Assoziationen entwickeln“, erklärt Wolfram.