Sie waren auf mehreren Konzertreisen im Iran unterwegs und haben Kontakt zu einigen iranischen Künstlerkollegen. Wie erleben Sie die aktuelle Situation in dem Land?
Interview „Bei mir gibt es keine Schiller-Formel“
Köln · An diesem Freitag veröffentlicht Christopher von Deylen sein neues Doppelalbum „Illuminate“. Mit seinem Musikprojekt Schiller kann er auf 25 erfolgreiche Jahre zurückblicken. Am 5. Mai kommt Schiller um 20 Uhr in die Kölner Arena.
Wir haben mit dem Musiker vorab über sein Album und die bevorstehende Tour gesprochen.
Christopher von Deylen: Das Geschehen dort geht natürlich nicht spurlos an mir vorbei. Ich war 2006 das erste Mal im Iran. Dort habe ich in den Gesprächen mit den Menschen vor Ort erlebt, dass das Bild, das wir hier von dem Land haben, mit der Realität nur sehr wenige Gemeinsamkeiten hat. Der direkte Blick auf das Land und seine Menschen hat da viele Dinge relativiert. Insgesamt gab es später drei Konzertreisen im Iran sowie weitere Aufenthalte. Ich habe dort auch mit anderen Künstlern vor Ort zusammengearbeitet. Der Iran ist ein fantastisches Land, mit unwahrscheinlich gastfreundlichen Menschen. Das Volk möchte ein Teil der Welt sein und genau da kommt man im Moment nicht voran. Was aktuell bei den Protesten und den brutalen Reaktionen der Regierung darauf passiert, macht mich traurig. Ich halte über Whats App und Instagram so gut es geht Kontakt zu meinen Freunden im Land. Aber ich bin natürlich kein Politikexperte und möchte daher keine Prognosen wagen. Was mir aber auffällt, ist, dass sich jetzt die Unzufriedenheit und die Sehnsucht nach Freiheit durch weit mehr Bevölkerungsschichten und Regionen zieht, als das früher den Anschein machte. Das lässt mich hoffen.
Sie haben beim aktuellen Album mit der Musikerin Yalda Abbasi zusammengearbeitet, die ihre familiären Wurzeln im Iran hat.
von Deylen: Yalda ist eine kurdischstämmige Iranerin, mit der ich seit 2018 zusammenarbeite. Sie hat mich schon 2019 auf einer Tour begleitet und wird auch bei der kommenden Tour dabei sein. Sie spielt ein traditionelles persisches Saiteninstrument, die Dotar, und verfügt über eine großartige Stimme. Mit ihr habe ich auch das Stück „Love and Tears“ aufgenommen, das auf einer alten Volksweise beruht.
In der Ukraine wurde ein Video für das neue Album gedreht. Was war das für eine Erfahrung?
von Deylen: Auch dieses Land kenne ich seit 15 Jahren sehr gut und war oft für Konzerte in Kiew. So habe ich das Land und seine Menschen kennengelernt. Als vor einem Jahr der Krieg in der Ukraine begann, wurde ich von einem unfassbaren Gefühl der Hilflosigkeit erfüllt. Über meine persönlichen Verbindungen habe ich direkt Kontakt aufgenommen. Es ist unglaublich, mit welchen Kleinigkeiten man sich hierzulande das Leben schwer macht, teilweise im Selbstmitleid schwelgt, um dann zu erkennen, wie schlimm die Situation an anderen Orten der Welt wirklich ist.
Wie lief der Videodreh ab?
Von Deylen: Ich selbst habe es aus logistischen Gründen leider nicht geschafft, selbst vor Ort zu sein. Aber es gab mit Igor Kuleshyn einen Freund, der als Regisseur und Choreograf in Kiew arbeitet. Von meiner Freundin, die Igor von einem Gastspiel in Hamburg kannte, kam der Vorschlag, ihn und sein Künstlerteam zu engagieren. Nach dem ersten Telefonat hat es nicht einmal 14 Tage gedauert, bis das Konzept und der Drehtermin standen. Die Arbeit am Video war nicht einfach. Es gab immer wieder Stromausfälle und Luftalarm. Aber Igor hat unter den schwierigen Bedingungen mit seiner Crew und großartigen Tänzern zwei wunderschöne, emotionale Videos produziert. Für die Beteiligten war das Projekt ein seltener Grund zur Freude, weil alle Mitwirkenden für ein paar Stunden den Kriegsalltag mit all seinen Sorgen vergessen konnte. Das Feedback der Fans war wirklich großartig, auch wenn es ein paar wenige Menschen gab, die sich offenbar daran gestört haben, dass ich ukrainische Künstler eingeladen habe.
Sie gehören zu den deutschen Künstlern, die eine große internationale Bekanntheit haben.
von Deylen: Es gibt zwei Wege, wie man erkennen kann, ob das, was man macht, geliebt wird oder nicht. Zunächst entsteht ja alles im Studio, wo ich die Musik schaffe, die ich selbst mag. Dann lässt man seine Musik nach außen und hofft auf positives Feedback. Das ist einerseits mit Verkaufs- und Zuschauerzahlen messbar. Es ist fantastisch, dass mich ein treues und neugieriges Publikum seit vielen Jahren auf meinem Weg begleitet. Die andere Seite der Rezeption ist die Art und Weise, wie die Musik selbst ihren Weg in die Welt und zu den anderen Kulturen findet. So habe ich ein großes Publikum in Rumänien und der Ukraine genauso wie im Iran oder in Mexiko. Wenn Menschen mit mir teilen, was meine Musik für sie bedeutet, ist das ein unglaublich schöner Liebesbeweis und am Ende wichtiger als Verkaufszahlen.
Wie blicken Sie auf die 25 Jahre zurück, in denen das Musikprojekt Schiller jetzt läuft?
von Deylen: Ehrlich gesagt, blicke ich nicht so gerne auf die 25 Jahre zurück, weil mir viel wichtiger ist, was in der Zukunft passieren wird. Jedes Album ist für mich ein Neuanfang, bei dem ich mich wie ein Newcomer fühle. Es gibt keine Schiller-Formel. Das Neue und Unbekannte sind für mich der Antrieb. Trotzdem weiß ich, dass 25 Jahre ein unfassbares Geschenk sind, und das mit einer eher speziellen Musik und einer ganz eigenen Sound-DNA. Die Musik hat mir großartige Begegnungen mit Musiklegenden wie Mike Rutherford oder Lang Lang ermöglicht. Dazu kommen die besonderen Begegnungen bei meinen Auslandsreisen. Musik ist da eine universelle Sprache. Es ist unglaublich, wenn man im Iran auf der Bühne steht und die Menschen schon beim ersten Ton euphorisch ist.
Welche Beziehung haben Sie zu Köln?
von Deylen: Ich liebe diese Stadt und war früher dort sehr gerne auf der Popkomm unterwegs. Ich habe nie verstanden, warum diese Messe nach Berlin abgewandert und dort gescheitert ist. In Köln gab es für mich fantastische Konzerte mit einer Bandbreite vom Gloria über das Palladium bis zur Arena. Das Publikum geht immer voll mit und lässt sich schnell begeistern. Ich komme zwar aus dem Norden, bin aber kein verschlossener Mensch und freue mich, wie schnell man in dieser Stadt mit den Menschen ins Gespräch kommt. Beim Gastspiel in der Arena gibt es das Beste aus 25 Jahren Schiller, aber auch viele der neuen Stücke. Bei vielen hatte ich schon im Studio das Konzert mit der Liveversion im Kopf. Es wird eine interessante neue Lichtinstallation geben, die jede Ecke der Arena erreichen soll, sodass das Licht die Menschen in Köln umarmen kann.