Köln Der Kölner Schwarzmarkt schwarz auf weiß notiert
Kölnisches Stadtmuseum erhält Dokumentation eines Zigarettenhändlers in den Jahren 1947/48.
Köln. Fünf Eier kosteten 60 Reichsmark, eine Zigarette wurde acht bis zehn Reichsmarkt verkauft. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Köln Not und Mangel an fast allem. Auf dem normalen Markt gab es kaum etwas zu kaufen, um so stärker florierte der Schwarzmarkt in der Stadt. Produkte wie Wein, Kleidung oder Fleisch kosteten dort locker das Zehnfache des Normalpreises.
Dafür war das Risiko für die Händler, bei Razzien oder Kontrollen erwischt zu werden, groß. Verkauft wurde in der Regel auf der Straße.
In seinem Band „Kölns Schwarzer Markt 1939—1949. Ein Jahrzehnt asoziale Marktwirtschaft“ hat Werner Schäfke, bis 2009 Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, 2015 erstmals dieses Jahrzehnt Kölner Lebens wissenschaftlich dargestellt und in seinem Elend und seinem Ausmaß sichtbar gemacht.
Dadurch aufmerksam geworden, hat jetzt der Sohn eines damals am Schwarzmarkt tägigen Kölners dem Kölnischen Stadtmuseum eine mehr als ungewöhnliche Quelle gestiftet: die sauber geführte Buchhaltung seines Vaters. „Das ist eine einzigartige Quelle, wie es sie sonst wohl in keinem anderen Museum gibt“, freut sich Museumsdirektor Mario Kramp über das kleine, unscheinbare Buch in seinen Händen.
Willi Rees, der im Alter von 24 bis 25 Jahren auf dem Kölner Markt Zigaretten in den Verkauf brachte, hat über seine Geschäftstransaktionen sorgfältig Buch geführt. Detailliert notierte er von Januar 1947 bis März 1948 alle Einnahmen und Ausgaben: Die verkauften Zigaretten und die dafür erworbenen Dinge: Nahrungsmittel für die Familie, aber auch Schnaps, Schokolade, Fisch, Fleisch, Haushaltsgeräte oder Kleidung. Ein außergewöhnliches Buch — war doch der Verkauf auf dem Schwarzen Markt verboten und eine schriftliche Dokumentation der Schwarzmarkt-Geschäfte damit in hohem Maße gefährlich.
Die Zigaretten gekauft hat der Kölner in Frankfurt — diese wurde wohl über US-Soldaten in Umlauf gebracht, die sich etwas zu ihrem Sold verdienen wollten. Vom Main zurück an den Rhein musste Rees Rheinland-Pfalz und damit die französische Zone passieren und verlor bei Kontrollen auch mal seine wertvolle Fracht.
Pro geschmuggelter Zigarette verdiente er zwischen 50 Pfennig bis zu einer Reichsmark. Durchschnittlich brachte er pro Tour etwa 1000 Zigaretten zu seinem Kölner Großhändler und war damit gemessen an den Ausmaßen des Schwarzmarktes eher ein „kleiner Fisch“.
Kölns Schwarzmarkt beherrschte seit den ersten Anfängen mit Kriegsbeginn 1939 das Bild mancher Straßen und Plätze. Nach Schätzung der Stadtverwaltung waren bis zur Währungsreform 1948 etwa 20 000 Personen in diesem Schattenbereich des wirtschaftlichen Lebens tätig. Damit war der illegale Schwarzmarkt einer der größten Arbeitgeber Kölns in der damaligen Zeit. Er funktionierte bis kurz nach der Währungsunion.
Auch Firmen tauschten untereinander schwarz ihre Produkte, um die schwere Zeit nach dem Krieg zu überstehen. Willi Rees dürfte den Zusatzverdienst neben der Versorgung seiner vierköpfigen Familie auch für seinen in zweiter Generation übernommenen Malerbetrieb investiert haben. Sein Buch übergab er seinem Sohn vor 15 Jahren, als er sah, wie dieser ein Haushaltsbuch führte.