Serie Ein Düsseldorfer mitten in Köln
Köln · Bei unserer Serie schlagen wir heute den Bogen von der Römerzeit bis in die Jetztzeit. Es geht um Legenden und um Orte, die für viele zum Kult geworden sind. Der Blick fällt dabei auf einen römischen Stadtpatron, auf einen berühmten Düsseldorfer in Köln, auf einen schottischen Philosophen, auf einen beeindruckenden Fotografen und auf einen kölschen Wirt, der durchaus seine Eigenheiten hatte.
Marsilius: Stolz blickt der Mann mit dem Rauschebart, der Lanze und dem Stadtwappen von seinem Platz an der Fassade des Gürzenichs. Es ist der Römer Marsilius, der neben Agrippina, ihrem Großvater Agrippa und den Heiligen Drei Königen als einer der Kölner Stadtpatrone gilt. Seine Berühmtheit basiert auf einer Geschichte, die sich im Jahr 69. n. Chr. zugetragen haben soll. In den Wirren kurz nach dem Tod von Kaiser Nero hatte sich der niedergermanische Befehlshaber Vitellius in Köln die Kaiserkrone geholt. Er hatte den Ruf ein gewalttätiger Trunkenbold zu sein und war aber bei seinen Soldaten eher beliebt. Die Kölner setzt dagegen auf den römischen Hauptmann Marsilius. So ergab es sich, dass Vitellius Köln belagerte und sein Gegenspieler in der Stadt wegen Holzmangel kurz vor der Aufgabe stand. Doch die Kölner hatten einen Trick parat. Sie schickten ihre Frauen uniformiert und mit Helm aus dem einen Stadttor und attackierten die Belagerer aus einem anderen Tor. Der Angreifer wurde zurückgeschlagen und mit Marsilius hatte Köln einen neuen Helden. Bis 1740 gab es an St. Aposteln einen Marsilstein, an dem an den Stadtpatron gedacht werden konnte. Heute hat er seinen Platz als Statue neben dem Haupteingang des Gürzenichs, in dem auch ein Saal nach dem Römer benannt worden ist. Eine weitere Abbildung von Marsilius findet sich im nördlichen Seitenschiff des Doms.
Jan Wellem: Die Rivalität zwischen der Domstadt und der Landeshauptstadt wird auf beiden Seiten liebevoll gepflegt. Und so verwundert es ein wenig, auf Kölner Stadtgebiet ein Denkmal für einen Düsseldorfer Stadthelden zu finden. Es befindet sich am Eingang zum Mülheimer Stadtgarten, wo auch eine Straße nach Jan Wellem benannt worden ist. Offiziell lautet sein Name Johann Wilhelm und er war zugleich Herzog von Jülich und Berg sowie Kurfürst von der Pfalz. Er lebte von 1685 bis 1716. Sein Äußeres ist typisch für seine Zeit: Er trägt eine barocke Lockenperücke und zeigt sich in Jagdbekleidung inklusive einer Flinte. Auf dem Sockel ist das Mülheimer Wappen zu sehen, eine Stadt, die lange Zeit eigenständig war. Aufgestellt wurde Jan Wellem im Jahr 1914 als eine Demonstration der Mülheimer Eigenständigkeit. Viel geholfen hat diese Geste nicht – kurze Zeit später wurde Mülheim eingemeindet und ist heute Stadtteil und Stadtbezirk in Köln. Gestiftet wurde das Denkmal vom Mülheimer Fabrikanten Christoph Andreae, dessen protestantische Familie im Jahr 1714 aus dem katholischen Köln vertrieben wurde. In Mülheim hatte damals das lutherische Herrschergeschlecht derer von Berg das Sagen. Jan Wellem war ab 1679 deren höchster Vertreter. Er kam gerne von seiner Geburtsstadt Düsseldorf nach Mülheim, um zu seinen Jagdgebieten in Buch- und Königsforst zu gelangen. 1711 nahm er dort bei einem Schützenfest und schoss den Vogel ab. Wer Jan Wellem in seiner Heimatstadt sehen möchte, hat direkt vor dem Rathaus die Gelegenheit dazu – dort thront er auf einem Pferd und blickt auf seine Düsseldorfer in der Altstadt.
Johannes Duns-Scotus: Die Minoritenkirche am Kolpingplatz unweit des Doms gehört zu den wichtigsten Kirchen der Stadt. Sie wurde ursprünglich für die Franziskaner gebaut. Typisch für den Bettelorden ist der Verzicht auf einen Kirchturm. 1846 ging sie als Annexkirche des Doms in den Besitz des Domkapitels und wurde zur Firmungs- und Weihekirche. Das damit verbundene Minoritenkloster ist heute weitgehend verschwunden. Die Kirche wird nun von der Gemeinde und vom Kolpingwerk genutzt. Wer diese betritt, kommt durch das Duns-Scotus-Portal. Johannes Duns-Scotus wurde 1265 in Schottland geboren und war ein europaweit bekannter Philosoph und Theologe. In theologischen Diskussionen galt er durchaus als kritischer Zeitgenosse und legte sich mit allen Größen des Mittelalters von Thomas von Aquin bis zu Bernhard von Clairvaux an. Philosophisch bedeutsam war sein Gedanke, dass der Wille für die Glückseligkeit des Menschen wichtiger ist als seine Vernunft. Duns-Scotus gelangte erst kurz vor seinem Tod im Jahr 1308 nach Köln. Seine Grabstelle findet sich genauso wie die von Adolph Kolping in der Minoritenkirche. Im Seitenschiff befindet sich der reich verzierte Sarkophag. Die Bronzetafeln über dem Hauptportal stammen vom Kölner Kunstschmied Paul Nagel und wurde 2006 eingeweiht. Der rechte Bereich ist dem Gründer der Gesellenvereine Adolph Kolping gewidmet. Auf der linken Seite blick Duns-Scotus in der typischen Pose eines Gelehrten auf die Kirchenbesucher herab. Neben ihm hat die Jungfrau Maria ihren Platz gefunden. Der Gelehrte wurde von Papst Johannes Paul selig gesprochen. Duns Scotus ist auch am von Ewald Mataré geschaffenen Südportal des Doms in einem Relief verewigt worden.
Chargesheimer: Etwas unscheinbar ist der kleine Platz direkt neben dem Hauptbahnhof. Er liegt genau zwischen dem Alten Wartesaal und einer Cocktailbar. Eigentlich ist es nur ein verbreiteter Durchgang oder Gehweg, der den Künstlernamen eines bekannten Kölner Fotografen trägt. Die Rede ist von Chargesheimer, der mit bürgerlichem Namen Carl-Heinz Hargesheimer (1924-1971) hieß. Er gilt als Kölns bedeutendster Fotograf für die Nachkriegszeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er an den Kölner Werkschulen Grafik und Fotografie studiert. Ab 1955 arbeitete Chargesheimer als freier Fotograf und fiel sowohl durch seine bissigen Porträts als auch durch seine lebensnahen Fotoreportagen auf. Insgesamt veröffentlichte er 14 Bildbände zu verschiedenen Themen wie Städte, Landschaften und Theater. Er hielt das Feiern genauso fest wie Prozessionen oder Szenen aus dem Alltag der Menschen. So dokumentieren Studien aus dem Eigelsteinviertel das Leben der kleinen Leute. Vieles was heute nicht mehr in Köln existiert, ist auf Chargesheimers Bildern festgehalten worden. Insbesondere mit dem Bildband „Cologne intime“ machte er sich bekannt und bekam 1957 vom Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein den Auftrag für ein Porträt des Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Das maskenhafte Antlitz des Politikers sorgte bundesweit für Empörung und entsprach so den Erwartungen des Auftraggebers. Zur Jahreswende 1971/72 starb der Fotograf unter ungeklärten Umständen. Sein Grab liegt auf Melaten. An seinem Platz erinnert eine kleine Gedenktafel am Wartesaal an den Sohn der Stadt, für den nur ein kleiner Flecken in Köln übrig blieb. Entsprechend groß war die Kritik an der Entscheidung.
Hans „Lommi“ Lommerzheim: Wer das Lommerzheim nicht kennt und zum ersten Mal an der Kneipe in der Siegesstraße in Deutz vorbeikommt, hat nicht den besten Eindruck. Der Zahn der Zeit hat deutlich an der Fassade seine Spuren hinterlassen. Auch grün-rote Schild mit der Aufschrift „Dortmunder Actien-Bier – Gaststätte Lommerzheim“ hat wohl bessere Zeiten gehabt. Trotzdem ist dieser Ort eine echte Institution und sein Wirt Hans „Lommi“ Lommerzheim war es auch. Gerne wird die Geschichte erzählt, dass der damalige US-Präsident Bill Clinton seine Begleiter gebeten hat, ihm einen Platz in der authentischen Kölner Traditionskneipe unweit seiner Residenz im Hyatt zu reservieren. Die Antwort von Lommi lautete „Nä, dat jeit nit!“, weil er befürchtete, dass seine Stammgäste wegen der hohen Sicherheitsanforderungen hätten draußen bleiben müssen. Auch sonst war der Wirt bei seinen Gästen ziemlich eigen. Er galt stets als überaus wortkarg und konsequent. Er machte keine Unterschiede zwischen Präsidenten, Managern und Arbeitern. 45 Jahre lang, von 1959 bis 2004 führte er mit seiner Frau Annemie das Lokal. Neben den Eigenheiten des Chefs hatten seine XXL-Koteletts Kultstatus. Auch wenn die Fassade in die Jahre gekommen war, die fast schon museale Gemütlichkeit im Innern überzeugte nicht nur Stammgäste. Dass bis heute das Kölsch aus den Zapfhähnen fließt, in der Brauerei Päffgen zu verdanken, wo Lommi einst als Köbes gearbeitet hat.