Gotteshaus Ein Gerüst verschwindet jetzt am Nordturm des Kölner Doms

Köln · In der vergangenen Woche konnten die mehrjährigen Arbeiten auf dem Hängegerüst an der Nordwestecke des Nordturmes bis auf kleinere Restarbeiten abgeschlossen werden. In den kommenden Monaten wird das Gerüst durch die Gerüstbauer der Dombauhütte zurückgebaut.

Blick auf den Kölner Dom mit seinen mächtigen Türmen. Ein Gerüst wird jetzt verschwinden.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Der Gerüstrahmen wird voraussichtlich 2021 mit Hilfe eines Schwerlastkranes abgenommen.

Jeweils vier gewaltige, 30 Meter hohe, freistehende Fialaufbauten umgeben die beiden Domtürme und leiten vom quadratischen Grundriss der unteren Turmgeschosse zum achteckigen Grundriss der beiden oberen Geschosse und der Turmhelme über. Auf mehreren Ebenen werden sie von Begleitfialen, Wimpergkränzen und Figurenbaldachinen mit überlebensgroßen Engelfiguren umgeben. Bereits im Mittelalter auf dem berühmten Plan der Westfassade, dem sog. Riss F entwickelt, wurde die Architektur in der Mitte der 1870er-Jahre unter Dombaumeister Richard Voigtel getreu des mittelalterlichen Planes ausgeführt.

Obwohl der im 19. Jahrhundert für den Außenbau der Türme verwendete Obernkirchener Sandstein bis heute nur geringe Verwitterungsspuren zeigt, hatte sich in Folge des Orkans „Yra“ am 24. November 1984 gezeigt, dass eine Restaurierung der Fialaufbauten dringend geboten ist. Damals war ein 3,25 Meter hohes Element einer Südturm-Fiale aus etwa 100 Metern Höhe abgestürzt und hatte schwere Schäden an den Seitenschiffdächern verursacht. Auch die oberste Spitze des nordwestlichen Fialaufbaus des Nordturmes fiel während des Sturmes inklusive der bekrönenden Kreuzblume aus etwa 105 Metern Höhe herab und verursachte schwere Schäden an den tiefer liegenden Aufbauten des Fialturmes.

Alte Anker und Dübel
müssen ersetzt werden

Die Schadensursache lag in der Verwendung von Eisenarmierungen in den 1870er-Jahren. Die Volumenzunahme oxidierten Eisens kann dabei zu Rostsprengungen führen, die den ansonsten hervorragend erhaltenen Stein zerstören. Die fraglichen Armierungen finden sich ausschließlich im Bereich der Fialaufbauten zwischen 80 und 100 Metern Höhe. Die Versetzsteinmetzen der Dombauhütte müssen daher alle Anker und Dübel aus Eisen ausbauen und durch neue, nicht rostende Elemente aus Edelstahl ersetzen. In den tieferliegenden Turmabschnitten waren im 19. Jahrhundert Kupferdübel und -verankerungen verwendet worden, die sich bis heute bestens erhalten haben.

Daneben bedürfen auch die 32 monumentalen Engelfiguren einer Restaurierung. In den 1870er Jahren aus Kalkstein aus Savonnières gefertigt, zeigen sie inzwischen deutliche Verwitterungsspuren, so dass kleinere Fragmente der vorstehenden Elemente wie Flügel, Hände und Attribute bereits abgebrochen sind. Die Figuren müssen daher eingehend untersucht, gefestigt und gegen weitere Verwitterung geschützt werden. In einzelnen Fällen werden sie durch Kopien ersetzt. Zwei erneuerte Engel waren unter reger Anteilnahme der Öffentlichkeit am 26. Mai auf die Gerüstplattform in 100 Metern Höhe gezogen worden. Sie wurden in den vergangenen Wochen versetzt. Anschließend konnten die hierzu teilweise abgebauten Figurentabernakel wieder zusammengefügt werden.

Im Rahmen der Arbeiten wurden auch ausgewaschenen Fugen geschlossen sowie zahlreiche Sturm- und Kriegsschäden beseitigt. Hierzu mussten am Nordwestpfeiler knapp 50 neue, teils sehr aufwändige Werkstücke wie Kreuzblumen, Krabben, Wimperg- und Fialenelemente unterschiedlicher Größen durch die Steinmetzen der Dombauhütte neu gefertigt werden. Oberstes Ziel war es so viel Originalsubstanz zu erhalten wie möglich und nur zerstörte Elemente zu erneuern. Dabei wurden auch zahlreiche Vierungen gesetzt. Einige der Vierungen wurden vom Steinmetz der Dombauhütte Markus Schroer vor Ort ausgeführt. Das ist besonders schwierig, da man die fest montierten Stücke, anders als in der Werkstatt, nicht drehen kann. Hier war die Fähigkeit des Steinmetzen, sowohl rechts- als auch linkshändisch arbeiten zu können, von enormen Vorteil.

Die Nordwestecke ist die dritte Ecke des Nordturmes, deren Restaurierung nunmehr abgeschlossen ist. Mit dem Bau des ersten Hängegerüstes an der Südwestecke war 1996 begonnen worden. Das jetzige Gerüst wurde 2011 aufgebaut. In den kommenden Jahren folgt die Restaurierung der Nordostecke des Turmes. Nach Abschluss der Restaurierung des Nordturms werden die Arbeiten am Südturm fortgesetzt.