Interview Verkanntes Werk der Weltliteratur

Am 7. Januar kommt Schauspieler Walter Sittler mit Erich Kästners Erzählung „Als ich ein kleiner Junge war“ in die Kölner Philharmonie.

Walter Sittler spielt Erich Kästners „Als ich ein kleiner Junge war“.

Foto: Jennifer Sittler

Wie ist die Idee zum Theatererlebnis mit Erich Kästners „Als ich ein kleiner Junge war“ entstanden?

Walter Sittler: Unser Regisseur und Autor Martin Mühleis trug sich schon lange mit dem Gedanken aus dem Buch einen Weihnachtsabend zu machen und nach einen ersten großen, sehr erfolgreichen Auftritt in einer Bank in Ludwigsburg war es dann soweit - Martin Mühleis machte daraus einen Theaterabend mit eigens komponierter Musik. Meiner eigenen anfänglichen Skepsis zum Trotz wurde es ein sehr großer Erfolg. Seit 2006 sind wir damit in der ganzen Republik unterwegs. In Köln waren wir zum Beispiel noch in der alten Oper und im Theater am Tanzbrunnen. Jetzt freue ich mich auf die Philharmonie.

Was mögen Sie an Erich Kästner und seinem Werk?

Sittler: Sein Werk begeistert Kinder und Erwachsene zu gleich. Es ist von bestechender Klarheit und arbeitet mit einer schönen, bildreichen Sprache, die trotzdem leicht verständlich ist. Seine Sicht auf die Wirklichkeit ist klar und nicht korrumpierbar. Er weiß, was vor sich geht und kennt die Geschichten der Menschen, wenn diese miteinander in Beziehungen treten. Das, was er in seinem Werk erzählt, ist auch heute noch absolut aktuell und zeigt, dass die Generationen einfach nichts dazu gelernt und sich weiterentwickelt haben. Sie machen die gleichen Fehler, die sie schon zu Zeiten Kästners gemacht haben. Ich mag es auch, dass er sich stets auf die Seite der kleinen Leute schlägt und dass empathisch und humorvoll ist. Er bleibt absolut kitschfrei und trotzdem warm.

Wann sind Sie persönlich zum ersten Mal dem Werk Kästners begegnet?

Sittler: Bei uns zu Hause gab es einen Band, in dem auch etwas von Kästner vorkam. Die Kinderbücher von ihm hatten wir aber nicht. Die nächsten Begegnungen gab es dann in der Schule und in der Schauspielschule. So richtig mit seinem Werk habe ich mich aber erst auseinandergesetzt, als die Idee zu diesem Abend kam. Wenn man seine Texte liest, lernt man, klarer zu denken und sich selbst nicht so wichtig zu nehmen.

Wieso haben Sie gerade die Erzählung „Als ich ein kleiner Junge war“ ausgewählt?

Sittler: Die Wahl hat Martin Mühleis als Regisseur getroffen. Es ist ein verkanntes Werk der Weltliteratur. Kästner war ein sehr vielfältiger Autor, was man in der neuen Bundesrepublik gar nicht so wahrgenommen hat. Wenn man sich selbst nicht so wichtig nimmt, wird man gerne auch mal links liegen gelassen. Mir gefällt die Art und Weise, wie er mit anderen umgegangen ist. Für Dieter Hildebrandt war er das Vorbild. Beide hatten eine Art, zu denken, die mir sehr liegt.

Wie wurde das Ganze für die Bühne umgesetzt?

Sittler: Der Text selbst ist so gut, da gibt es nichts zu ändern. Aber man muss ihn wieder zum Leben erwecken, in dem man das findet, was zwischen den Zeilen steht. Man erweckt den Menschen und dessen Erinnerungen wieder neu. Ich spiele, als ob ich selbst diese lebende Figur wäre. Das ist eine tolle Rolle, die man so als Schauspieler nicht sehr oft angeboten bekommt.

Welche Rolle spielt die Musik im Stück?

Sittler: Sie stammt vom Komponisten Libor Sima, ein großartiger Jazzsaxofonist und -fagottist. Er hat ein sehr gutes Gespür, wie seine Musik in die Geschichte hineinpasst und wie sie diese unterstützen kann.

Erich Kästner verfügt über eine ganz besondere Art von Humor.

Sittler: Ja, er hat einen sehr hintergründigen und menschlichen Humor. Er stellt konträre Dinge, wie es in den 20er Jahren üblich war, gegenüber und das wirkt dann komisch. Kästner beschreibt das Leben wie es ist, er lamentiert nicht, auch wenn er ein nicht immer leichtes Leben hatte, und er sieht die Absurdität des Lebens. Aber er verurteilt die Menschen nicht und überlässt es seinen Leser, was dieser damit macht. Für das, was man macht, hat man immer die eigene Verantwortung, die kann man nicht abgeben. Das hat Kästner ganz klar gesehen. Er versteht, was los ist und kann so handeln. Wer das nicht beherrscht, wie z. B. der derzeitige US-Präsident, kann einfach nur draufhauen. Alle sollen Angst vor ihm haben, dabei ist er ein ziemlicher Feigling. Er will sich die Welt und ihre Menschen passend machen. Sie sollen ihn anbeten, dabei ist hier auf der Erde niemand anbetungswürdig. Aber wir leben in einer Welt mit einer technischen Entwicklung, wo viele die Menschen sich nur noch um sich selbst drehen, indem sie ständig im Internet etwas von sich posten.

Welche Beziehung haben Sie zu Köln?

Sittler: Ich habe neun Jahre für „Nikola“ hier gedreht und in der Stadt gelebt. Mir ist es in Köln sehr gut gegangen. Die Leute sind freundlich und aufgeschlossen. Es ist eine lässige Stadt mit einem guten Humor.