Kultur Neue Musik und große Namen
Köln · Von 4. bis zum 12. Mai setzt sich das Kölner Festival „Acht Brücken“ mit den „Feinen Unterschieden“ in der Musik auseinander. Im Zentrum steht dabei der Porträtkomponist Enno Poppe. Dazu kommen im weitere Verlauf des Monats viele große Namen von Sir Simon Rattle über Rolando Villazón bis zu Grigory Sokolov:
Porträtkomponist: Enno Poppe ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten. Nicht trotzdem, gerade deshalb kann ihm ein Werk schon mal aus Fugen geraten. So geschehen bei „Prozession“, das auf eine viertelstündige Spielzeit projektiert war, sich aber zu einem gut 50-minütigen Ensemblestück ausdifferenzierte. Vier Perkussionisten legen eine Klangspur, an der entlang Instrumentenpaare wechselweise die Führungsrolle übernehmen und sich wieder ins Ensemble eingliedern, wie in einer Seilschaft, die sich in unbekanntes Terrain vortastet. So hat auch Poppe sich vom musikalischen Material leiten lassen, statt stur einer vorgefassten Route zu folgen – und zeigt dabei souveräne Meisterschaft. Poppe ist Porträtkomponist von „Acht Brücken“, von ihm erklingen beim Festival insgesamt zehn Werke, darunter mehrere Uraufführungen. Termin „Prozession“: Sonntag, 5. Mai, 20 Uhr.
Sir Simon Rattle: Grandiose Trias: Wie ein Vermächtnis stehen die drei letzten Sinfonien Mozarts am Ende seiner rund 40 Gattungsbeiträge. Bis heute klingt in ihnen durch die Jahrhunderte das Genie ihres Schöpfers zu uns herüber – ebenso meisterhaft wie enigmatisch. Gut also, dass Sir Simon Rattle sich bestens auskennt mit Mozarts sinfonischem Vermächtnis und eben diese Sinfonien-Trias vor etlichen Jahren bereits mit den Berliner Philharmonikern performt hat, das Orchester, bei dem er für unglaubliche 16 Jahre Chefdirigent war. Für seine neuerliche Mozart-Exegese hat er sich das Mahler Chamber Orchestra als Partner ausgesucht. Und obwohl das den Namen eines anderen Komponisten im Titel trägt, verfügt dieses basisdemokratische Orchesterkollektiv auch über eine beeindruckende Mozart-Expertise. Erst kürzlich hat es sich mit dem Projekt „Mozart Momentum“ intensiv mit dessen Klavierkonzerten auseinandergesetzt. Nun geht die Mozart-Reise weiter. Termin: Samstag, 18. Mai, 20 Uhr.
Strauss „Elektra“: Völlige Ekstase, extreme Zustände: Das antike Drama rund um Elektra reißt Abgründe auf. Doch die Erschütterung ist von großer Erhabenheit. Richard Strauss hat dazu die entsprechende Musik komponiert: schrecklich schön, von erschlagender Sinnlichkeit. Mit kühnen Harmonien und spätromantischer Geste gestaltete Richard Strauss diese Familientragödie – vom Rachedurst der Titelheldin bis zu seiner furchtbaren Erfüllung. Elektras Vater ist von ihrer Mutter und deren Liebhaber erschlagen worden. Nun kehrt ihr Bruder Orest zurück und ermordet die Mörder. Elektra tanzt und bricht im Triumph zusammen. Iréne Theorin in der Hauptrolle und Violeta Urmana als Klytämnestra garantieren ein packendes Mutter-Tochter-Duell. Zwei Opernweltstars sind zu Gast in Köln. Termin: Dienstag, 21. Mai, 20 Uhr.
Rolando Villazón: Jung, entdeckungsfreudig, virtuos: PRJCT Amsterdam ist ein aufsehenerregendes neues Ensemble für Alte Musik. Mit Leidenschaft entwickelt sein Gründer, der Countertenor Maarten Engeltjes, abwechslungsreiche Programm-Formate mit internationalen Stars. »Mozart!« ist der schlichte, aber gehaltvolle Titel des aktuellen PRJCT Amsterdam -Projekts: ein sinnenfrohes Pasticcio aus Arien, Szenen und Instrumentalstücken des großen Wiener Klassikers. An der Seite von Maarten Engeltjes versammelt sich eine illustre Schar der führenden Mozart-Interpretinnen und Interpreten unserer Tage. Der Bass Andreas Wolf besticht durch seine dramatische Ausdruckskraft, Startenor Rolando Villazón ist ein Meister der Ausdrucksstärke, die Sopranistin Lenneke Ruiten bezaubert durch innige Klarheit. Termin: Mittwoch, 22. Mai, 20 Uhr.
Kit Armstrong & Friends: Seltene Mozart-Begegnung: Mit seinen Opern, Sinfonien und Klavierkonzerten gehört Mozart zu den meistgespielten Komponisten überhaupt. Doch seine Kammermusik abseits der Streichquartette ist nicht so oft zu erleben – auch wegen der außergewöhnlichen Besetzung. Quartett- und Trio-Formationen gibt es zahlreiche, doch der Kombination aus Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott begegnen wir kaum im Konzertsaal. Eine der seltenen Gelegenheiten, diese raren Facetten von Mozarts Schaffen zu erleben, ist die „Mozart Expedition“ von Kit Armstrong. Eigens für dieses Programm hat der vom legendären Alfred Brendel geförderte Ausnahmepianist eine Reihe Gleichgesinnter um sich geschart, um tief einzutauchen in den Kammermusik-Kosmos Mozarts. Termin: Sonntag, 26. Mai, 16 Uhr.
Belcea Quartet und Quatuor Ebène: Zweifellos ein Höhepunkt im diesjährigen Konzertkalender: Zwei der besten Quartette der Welt machen gemeinsame Sache und spielen zwei der bedeutendsten Oktette für Streicher, die die Musikgeschichte bereithält. Zwei Topformationen verschmelzen zu einer. Im Finale, wenn sich bei hohem Tempo die Stimmen mehr und mehr verdichten, entsteht ein Taumel, ein singulärer Sog. Da heißt es sich anschnallen, um nicht aus der Kurve zu fliegen. Überraschend genug, dass eine solch grandiose Musik von einem Jugendlichen stammt. Felix Mendelssohn hat dieses Werk mit nur 16 Jahren geschrieben. Im Konzert bekommt man es nur selten zu hören, und noch viel seltener mit zwei so herausragenden Ensembles wie dem Belcea Quartet und dem Quatuor Ebène. Ein britisch-französisches Gipfeltreffen. Termin: Sonntag, 26. Mai, 20 Uhr.
Sächsische Staatskapelle Dresden: Richard Wagner schwärmte einst von der „Wunderharfe“ und meinte damit die Staatskapelle Dresden. Bis heute wird sie auf der ganzen Welt für ihren besonders warmen, dunkel-romantischen Klang bewundert. Und den kultiviert Christian Thielemann mit einem Programm, das wie maßgeschneidert für ihn ist. Romantisches Orchesterschwelgen ist so etwas wie der rote Faden dieser Mischung aus Werken von Carl Maria von Weber, Richard Wagner und Richard Strauss. Als langjähriger Berater der Bayreuther Festspiele ist Wagner so etwas wie ein Teil von Thielemanns musikalischer DNA, aber auch die Opulenz und Klangfarbenmagie eines Richard Strauss hat er quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Und so verspricht diese nahezu ideale Kombination aus Orchester, Dirigent und Repertoire ein intensives Konzerterlebnis der Extraklasse. Termin: Montag, 27. Mai, 20 Uhr.
Eivind Aarset Quartet: Eine Jazzgruppe mit zwei Schlagzeugern? Kann das gutgehen? Wenn der Bandleader Eivind Aarset heißt: unbedingt! Der experimentierfreudige Gitarrist aus Norwegen ist immer für eine Überraschung gut, die ungewöhnliche Besetzung ein weiterer Beleg dafür. „A Different Kind of Journey“, auf eine andere Art von Reise verspricht uns Eivind Aarset in seinem aktuellen Programm mitzunehmen. Der Klangtüftler aus Norwegen, der seit der Zusammenarbeit mit dem Trompeter Nils Petter Molvær Ende der 90er Jahre zur Avantgarde des neuen skandinavischen Jazz zu zählen ist, mag es, ungewöhnlich schräge Geschichten auf der Gitarre zu erzählen. Sich dabei zu wiederholen, ist dem 63-Jährigen ein Graus: „Es hat keinen Sinn, immer wieder dieselben Sachen zu machen.“ Termin: Mittwoch, 29. Mai, 20 Uhr.
Grigory Sokolov: Gibt es das wirklich, oder ist es nur eine Legende, dass herausragende Künstler über Jahrzehnte hinweg ihre Qualitäten konstant hochhalten und jeder einzelne ihrer Auftritte zu etwas Besonderem gerät? Grigory Sokolov ist der Beweis: Das gibt es wirklich. Grigory Sokolov darf man gewiss zu jener Sorte von Ausnahmemusikern zählen, die in jedem ihrer Konzerte den Klang ihres Instruments zu etwas Magischem machen. Das Publikum darf sicher sein, etwas zu erleben, was es so zuvor noch nicht gehört hat. Auch die Fülle seiner Zugaben ist längst legendär. Sie bilden ein eigenes Konzert im Konzert. Termin: Donnerstag, 30. Mai, 20 Uhr.
Karten und weitere Infos gibt es online unter: