Kultur Wallrafs große Welt der Bücher

Köln · Er war Stadtplaner und Universalgelehrter, Professor und Gymnasiallehrer, Priester und Naturwissenschaftler, Dichter und Regisseur von Festen oder Prozessionen - vor allem war Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) ein leidenschaftlicher Sammler.

In der Ausstellung „Ein Buch ist ein Ort“ gibt es für die Besucher viele Schätze zu entdecken.

Foto: step/Eppinger

Seine Sammlungen legten den Grundstein für viele Kölner Museen und Bibliotheken. Gemälde und andere Kunstwerke waren genauso seine Leidenschaft wie Naturalien und Münzen. Doch das Herzstück seiner Sammlung waren aber die Bücher, seine viele Wissensbereiche und Epochen umfassende Bibliothek.

Eine Ausstellung im Historischen Archiv widmet sich noch bis zum 9. Juni unter dem Titel „Ein Buch ist ein Ort - Wallrafs Bibliothek für Köln“ dem Thema. Kuratiert wurde die gemeinsam im Jahr des 200. Todestages von Christiane Hoffrath von der Universitäts- und Stadtbibliothek und Christine Feld vom Historischen Archiv. Die Schau ermöglicht spannende Einblicke in die Schätze der, mehr als 10.000 Bände umfassende Sammlung des Kölner Erzbürgers und in dessen Persönlichkeit als Sammler.

Schon als Schüler begann
Wallraf, Bücher zu sammeln

Schon als Schüler entwickelte der Sohn eines Schneidermeisters und spätere Rektor der Universität seine Leidenschaft für Bücher. Damals sammelte Wallraf wissenschaftliche Werke zur Farbenlehre, Medizin, Pflanzenkunde, Mineralogie und Numismatik. Das größte Interesse erweckte bei ihm allerdings alles, was mit seiner Heimatstadt Köln zu tun hatte. So findet sich in seiner Sammlung später unter anderem das älteste in Köln gedruckte Buch von 1466 und die älteste gedruckte Stadtansicht von Köln in einem Band von 1474.

Damit belegt seine Sammlung auch, dass Köln schon früh neben Mainz, Straßburg und Bamberg ein bedeutender Ort des Buchdrucks war. So findet sich in der Bibliothek des Universalgelehrten eine größere Anzahl von Kölner Drucken aus der Inkunabelzeit. Rund 200 Jahre lang blieben der Buchdruck und Buchhandlung ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Domstadt.

Zu den besonders wertvollen Objekten der Ausstellung zählen auch sogenannte Blockbücher, die in der Zeit von 1460 bis 1480 in Süddeutschland und in den Niederlanden entstanden sind. Diese Bücher wurden mittels Holzdruckstöcken produziert und später von Hand koloriert. Sie sind heute sehr selten, so gibt es heute nur noch etwa 100 Ausgaben mit 600 Exemplaren. Zu den Highlights in den Schauräumen des Archivs gehört zudem eine Kölner Bibel von 1478 mit einer Darstellung der Maria mit dem Kinde. Sie gehörte zu den ersten volkssprachlichen Bibeln und war in „kölscher“ Sprache verfasst.

Insgesamt finden sich Werke aus mehreren Jahrhunderten in Wallrafs großer Sammlung. Zum einen gab es bei ihm ein professionelles Interesse an Fachliteratur, die er für seine Lehr- und Forschungstätigkeit benötigte. Zum anderen entwickelte sich aber auch eine fast unbändig erscheinende Liebe zum Buch. So wurde er nach der Säkularisierung in der Franzosenzeit zum Bücherretter. Viele der mittelalterlichen Handschriften und prachtvoll verzierten Codices stammen auch den Skriptorien und Bibliotheken ehemaliger Kölner Stifte und Klöster und wären ohne den Einsatz Wallrafs wohl verloren gegangen.

Dass Wallraf nicht nur Texte und Bücher gesammelt, sondern auch selbst verfasst hat, zeigen zum Beispiel die Trauerreden für Verstorbene, die er als junger Mann verfasst hat. Später entwarf er auch die Pläne für den Friedhof Melaten. Als „Ghostwriter“ verfasste er außerdem immer wieder Schriften zur politischen Lage, auf denen sein Name in der Regel nicht auf dem Titelblatt zu finden ist. Für seine Stadt und den Erhalt ihrer Schätze setzte sich Wallraf mit viel Engagement ein. So führte er in der Franzosenzeit Kaiserin Joséphine durch den Dom und bewirkte, dass Frankreich den Dreikönigenschrein an Köln zurückgab und Geld für dessen Restaurierung zur Verfügung stellte.

Die Schau zeigt außerdem, wie die großen politischen und sozialen Umbrüche an der Wende vom 18. und 19. Jahrhundert Wallrafs Leben in Köln und auch seine Sammlung geprägt haben. Er erlebte drei große Epochen der Stadtgeschichte von Köln als freier Reichsstadt über die Franzosen- bis zur Preußenzeit. „Sein Nachlass ist folglich mehr als das private Vermächtnis einer großen Persönlichkeit, sondern dient im Zusammenspiel mit der übrigen Überlieferung im Haus der Rekonstruktion und Erinnerung der Kölner Stadt- und Mentalitätsgeschichte“, sagt die Archivdirektorin, Bettina Schmidt-Czaia.

Ein Teil der Schau widmet sich der aufwendigen Restaurierung der Wallraf-Bibliothek, die von dessen Zeitgenossen oft als ziemlich chaotisch beschrieben wurde. Viele Bücher befanden sich schon bei der Übernahme der Sammlung 1818 durch die Stadt in einem schlechten Zustand. Danach setzten die schlechte Lagerung und weitere Schäden im Umfeld des Zweiten Weltkriegs den wertvollen Büchern weiter zu. Feuchtigkeit, Insektenbefall und Schimmel sorgten für den zunehmenden Verfall der Bände.

Die Rettung der Schätze Wallrafs begann 2018 auf die Initiative des Kölner Unternehmers Peter Jungen, dem Vorsitzenden des Stifterrats des Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud. 1,7 Millionen Euro aus öffentlichen und privaten Mitteln flossen in das ambitionierte Projekt, das im Vorjahr erfolgreich abgeschlossen werden konnte. In der Ausstellung können die Besucher den Zustand der Bücher vor und nach der Restaurierung gut erkennen und werden auch in die Arbeitswelt der Restauratoren eingeführt.

Service: Ausstellung „Ein Buch ist ein Ort - Wallrafs Bibliothek für Köln“ bis zum 9. Juni im Historischen Archiv mit Rheinischem Bildarchiv am Eifelwall 5. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 9 bis 16.30, Mittwoch bis 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Führungen gibt es immer mittwochs um 16 Uhr (außer am 1. Mai).