Kultur Kunst als politisches Statement

Köln · Das Museum Ludwig widmet ab dem 26. März dem japanisch-amerikanischen Bildhauer Isamu Noguchi (geb. 1904 in Los Angeles, gest. 1988 in New York) nach über 20 Jahren die erste umfassende Retrospektive in Europa.

Der US-Künstler und Designer Isamu Noguchi testet „Silde Mantra“ 1986 im US-Pavillon der Biennale von Venedig. Ab dem 26. März sind seine Werke im Museum Ludwig zu sehen.

Foto: VG Bilfd-Kunst/Michio Noguchi

Sie zeigt mit 150 Arbeiten alle Schaffensphasen Isamu Noguchis und präsentiert ihn als experimentierfreudigen und politisch engagierten Künstler. Die Ausstellung wurde vom Museum Ludwig in Köln, dem Zentrum Paul Klee in Bern und dem Barbican in London kuratiert und zusammen mit dem LaM – Lille Métropole Musée d’art moderne, d’art contemporain et d’art brut organisiert. Die Ausstellung wäre ohne die Unterstützung des Isamu Noguchi Foundation and Garden Museum, New York nicht möglich gewesen.

Noguchi ist ein großer Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Bisher war er vor allem für seine Kollaborationen und Design Projekte jenseits eines engeren Kunstbegriffs bekannt, für seine Coffee Table, seine Akari-Leuchten, oder seine Bühnenbilder für Martha Graham. Noguchis erweitertes Verständnis von Skulptur und die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zur Erde prägen sein Werk ebenso wie seine Faszination für Material und Technik.

Der Künstler dachte
radikal interdisziplinär

Noguchis Denken war in jeder Hinsicht grenzüberschreitend, transnational und radikal interdisziplinär. Von den 1920er Jahren bis in die 1980er Jahre fertigte er autonome Skulpturen, Denkmäler mit politischer Aussage, Lichtobjekte, Bühnenbilder, Spielplätze, Gärten – auf der Suche nach der Verbindung von Kunst und Leben.

Als junger Assistent von Constantin Brâncuși in Paris vertiefte Noguchi sein Gespür für das Wesen des Materials, für die Bearbeitung von Holz und Stein. Sein Leben lang unternahm er – oft jahrelange – Reisen nach Europa und Asien, nach Indien und Mexiko. Er studierte Pinselzeichnung in China und experimentierte mit Töpferei und Gartenkunst in Japan. Aneignung und Erneuerung kultureller Techniken bestimmen sein künstlerisches Schaffen.

Die Retrospektive beginnt mit Porträts – Köpfe und Figuren, figurativ und abstrakt, ein Panorama aus unterschiedlichsten Medien, sozialen Kontakten in aller Welt und künstlerischen Auffassungen. Zu sehen ist ein selten gezeigtes Selbstporträt als Junge mit blauen Augen, begleitet von Martha Graham und R. Buckminster Fuller, beide künstlerische Partner*innen über Jahrzehnte, ebenso wie von Noguchis Onkel Takagi, der Schriftstellerin Tara Pandit, dem Tänzer Michio Itō, dem Maler José Clemente Orozco, der Musikerin Kyoko Kawamura und Noguchis Ehefrau für fünf Jahre in den 1950ern, der Schauspielerin Yoshiko („Shirley“) Yamaguchi.

Im Zentrum der Ausstellung stehen Noguchis surrealistische Skulpturen aus den 1940er Jahren. Die sogenannten Interlocking Sculptures erinnern teilweise an menschliche Körper, deren Elemente wie schlaffe Glieder oder Knochen ineinandergreifen. Spielerische Komposition und schmerzhafte Fragmentierung verbinden sich in diesen Skulpturen.

Fundament seines Lebens und Werks ist die Auseinandersetzung mit den sozialen und politischen Fragen seiner Zeit. Gegenpositionen zu Rassismus und Gewalt, aber auch Fragen nach Identität und Zugehörigkeit spiegeln sich in vielen Kunstwerken Noguchis wider. In anderen werden die Erinnerungen an Schmerz und Unterdrückung fast unsichtbar. Noguchis eigene Erfahrung mit Rassismus gipfelte 1942 in einem mehrmonatigen Aufenthalt in einem der Internierungslager, in die die amerikanische Regierung nach dem Angriff auf Pearl Harbour 120.000 Amerikaner*innen japanischer Abstammung, einsperrte. Noch Jahrzehnte später tragen seine Skulpturen die Erinnerung an diese Diskriminierungserfahrung.

Zu den reichen Facetten des Werks zählen seine öffentlichen und politischen Kunstprojekte der 1930er Jahre, Tanzkollaborationen unter anderem mit der Tanz-Pionierin Martha Graham, Keramiken sowie öffentliche Arbeiten und Pläne für Jerusalem ,Hiroshima, Paris oder Delhi.

Im letzten Raum der Ausstellung wird Noguchis Entwurf zu Sculpture to Be Seen from Mars (Memorial to Man) gezeigt. Die Arbeit wurde 1947, zwei Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki konzipiert, jedoch nie realisiert. Seit seinen frühen Spielplatzentwürfen betrachtete Noguchi die Erde als künstlerisches Material. Bei Sculpture to Be Seen from Mars (Memorial to Man) entwirft er eine außerirdische Perspektive auf unseren Planeten. Auf der Oberfläche der Erde erscheint ein riesiges menschliches Gesicht, eine Erinnerung an die Menschheit, die die Erde mit Kultur geformt, aber auch zerstört hat.

Service: Sonderausstellung Isamu Noguchi, 26. März bis 31. Juli, Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, Köln, weitere Informationen zum Museum und zur Sonderschau finden sich unter: