Serie Reise in die Goldenen 20er Jahre
Köln. · Seit fünf Jahren gibt es in Ehrenfeld den Club Berlin. Auf der Karte findet sich so manchen Klassiker dieser außergewöhnlichen Zeit.
Wer den Club Berlin an der Keplerstraße in Ehrenfeld unweit der pulsierenden Venloer Straße betritt, fühlt sich ein wenig in eine andere, frühere Zeit versetzt. Stilvoll eingerichtet mit vielen alten Möbeln und Accessiores, die im herunter gedimmten Licht ihre besondere Atmosphäre entfalten können.
„Der Club Berlin ist eine Hommage an die Goldenen 20er Jahre in Berlin. Das spiegelt sich auch an der Bar in unserer Cocktailkarte wieder. Es finden sich dort viele Klassiker aus der Zeit, aber auch viele aktuelle Eigenkreationen von uns wieder“, sagt Betreiber Tim Simon. Etwa 80 verschiedene Cocktails sind in der Karte verzeichnet. Auch bei den Spirituosen zeigt sich eine große Vielfalt – so bietet der Club Berlin alleine 60 Ginsorten an und nimmt so eines der großen Trendthemen in seinem Angebot auf.
Livemusik mit zwei
Kölner Big Bands
Wichtig ist Simon das Liveprogramm auf seiner eigenen Bühne im Raum neben der Bar. „Wir bieten viel Jazz, Funk und Soul, Dazu kommt Rock und Rockabilly. Die späten 60er sind unsere musikalische Grenze. Wir haben Big-Band-Reihen mit dem Grand Central Orchestra und der The Big Band Convention. In Köln gibt es fünf Big Bands, zwei davon sind regelmäßig bei uns zu Gast. Dazu kommen Burlesque-Revuen, Varieté und Stand-up-Comedy“, berichtet Simon.
Entstanden ist der Club Berlin aus dem Interesse seiner Betreiber für die besondere Zeit in der Spreemetrople. „So etwas hat in Köln noch gefehlt. In Berlin und Hamburg gibt es solche Läden dagegen schon länger.“ Drei Monate wurden die Räumlichkeiten umgebaut und mit viel Liebe zum Detail mit alten Möbeln wieder neu eingerichtet.
Zur Einrichtung der Bar gehören auch die vielen alten Kristallgläser. „Ich bin regelmäßig auf Flohmärkten unterwegs und suche ganz gezielt solche Schätze. Dort finden sich auch zu unserem Konzept passende Spiegel oder Tische. Uns geht es um ein stilvolles Ambiente, um Cocktails mit hoher Qualität und um gute Musik. Vieles davon ist ist an die Cocktailkultur der 20er Jahre in den USA geprägt, die von der Prohibition und derem Ende sehr beinflusst ist.“
Die Barkeeper von damals seien wie die TV-Köche von heute echte Stars mit großem Ansehen gewesen. Während der Prohibition sind viele Barkeeper nach Europa ausgewandert und haben dort die Barkultur neu geprägt. So manches heute noch bekannte Cocktailrezept wie beim berühmten Manhatten ist damals entstanden. Während der Prohibition waren oft auch Rezepte notwendig, die den alkoholischen Anteil optimal kaschieren konnten.
„Das waren geradelinige, ehrliche Cocktails mit viel Gin, Whisky und Rum. Dazu kamen Wermut, Liköre und Barbitters. Damals hatten wir noch nicht die Fruchtbomben, die in den 50ern populär geworden sind.“ Die ersten Cocktails überhaupt gab es übrigens im Zeitraum zwischen 1805 und 1806. Diese waren einfach mit einer Spirituose, Bitter, Zucker und Wasser aufgebaut. Später kamen noch die Liköre hinzu.
Dazu kommen im Club Berlin die selbst kreierten Cocktails wie der Wifebeater (engl. für das weiße Feinripp- Unterhemd) der aus Gin mit selbst eingelegten Lavendelblüten direkt aus der Provence, Limette und Maraschinolikör und Tonic Water besteht (siehe Kasten). „Das ist eine sehr blumige, fruchtige Variante des Gin Tonic. Ein sehr facettenreicher Drink. Die Inspiration kam in unserer Umbauphase, als einer der Handwerker mit einem Muscle-Shirt unterwegs war.“
Jede Woche gibt es einen
neuen Drink für die Bar
Fest zum Club Berlin gehört der stetig wechselnde Drink der Woche – inzwischen gibt es davon 250 in den vergangenen fünf Jahren, die alle selbst entwickelt worden sind. „Es ist nicht immer leicht, den passenden Namen zu finden. Manchmal werde ich auch durch bekannte Namen oder Songs beeinflusst. So gab es schon den Lemmy, nach dem Frontmann von Motörhead oder auch Purple Rain nach dem Song von Prince.“ Zu den Trends bei den Cocktails zählen Kräuter und Gewürze, die eingesetzt werden wie Tymian, Posmarin, Basillikum oder Kurkuma.
Als Tipp für Hobbybarkeeper sagt Tim Simon: „Ein guter Cocktail braucht die perfekte Balance. So gibt es mehrere Stufen des Geschmackserlebnisses, je nachdem, welches Areal der Zunge besonders in Kontakt mit dem Getränk kommt. Das macht gute Cocktails so facettenreich. Es ist wichtig, dass eine Zutat nicht alle anderen überlagert. Daher sollte man sich wie beim Backen sehr genau ans Rezept halten. Das gilt gerade für Kräuter und Gewürze. Es ist auch wichtig zu wissen, dass Eis den Cocktail verwässert, das muss man einberechnen. Am wenigsten Wasser geben Eiskugeln ab. Findet man die Balance wird ein Drink von Schluck zu Schluck neu entdeckt und kann neu genossen werden.“