Kultur Sieben Meisterwerke im Wallraf wiedervereint

Köln · Es sind Bilder, die gleichermaßen die Menschen faszinieren und erschrecken. Drastisch und hochemotional wird im Zyklus „Karlsruher Passion“ die Leidensgeschichte Christi von seinem letzten Gebet in Freiheit bis zur Annagelung ans Kreuz erzählt.

Die Tafel „Gefangennahme Christi“ (Ausschnitt) aus der „Karlsruher Passion“ gehört zur Sammlung des Wallraf.

Foto: step/Eppinger

Über viele Jahrhunderte waren die sieben noch erhaltenen Tafel aus Nussbaumholz getrennt. Jetzt sind sie im Kölner Wallraf für ein Jahr lang in einem Raum der Mittelaltersammlung wiedervereint. Sechs der Tafeln hatte die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe über Jahre hinweg erworben. Eine Tafel, welche die „Gefangennahme Christi“ zeigt, gelangte über den Nachlass des Kölner Schuhmachers Heinrich Schläger in die Sammlung des Wallraf.

Der Zyklus stammt vom Straßburger Maler Hans Hirtz

„Es ist das Beste, was in deutschen Landen im 15. Jahrhundert entstanden ist“, schwärmt Museumsdirektor Marcus Dekiert von diesem eindrucksvollen Zeugnis der spätmittelalterlichen Malerei. Möglich wurde die Zusammenführung, die es zunächst bei einer Spätgotik-Ausstellung in Berlin gegeben hatte, durch die Schließung der Karlsruher Kunsthalle, die gerade aufwendig saniert wird.

Entstanden ist der Zyklus um 1450, allerdings nicht, wie der Name vermuten lässt, im badischen Karlsruhe, sondern in Straßburg. Denn jüngste Forschungen haben die Tafeln dem Straßburger Maler Hans Hirtz, einem Zeitgenossen des berühmten Kölner Künstlers Stefan Lochner, zugeordnet. Sie sind das einzig erhaltene Werk von Hirtz. Vieles deutet darauf hin, dass die Tafeln für die Straßburger Stiftskirche St. Thomas geschaffen worden sind. So ist die Kirche auf dem Tafelbild „Kreuztragung Christi“ tatsächlich zu sehen, außerdem gibt es dort Spiegelungen der Chorfenster im Helm eines Soldaten. Zu den Vermutungen der Forscher gehört, dass die Tafeln eventuell als Türen in Nischen im Chor der Kirche eingesetzt worden sind.

Zwischen Lochner und Hirtz gibt es viele Gemeinsamkeiten. So finden sich bei beiden Künstlern Züge der niederländischen Malerei. Beide legen Wert auf Details, wie zum Beispiel Spiegelungen. Dazu kommt der langandauernde Ruhm als Künstler in ihrer Schaffenszeit und die Tatsache, dass sie später beide in Vergessenheit gerieten. Starke Ähnlichkeiten in der Darstellung des Leidenswegs finden sich auch bei einem Kölner „Meister der Passionsfolgen“, was vermuten lässt, dass Hirtz sich bei einem Besuch in Köln für sein späteres Werk inspirieren ließ.

Energisch treibt Hirtz mit seinem Malstil die Handlung von Bild zu Bild voran. Geschickt wiederholt er bestimmte Motive in der Architektur und der Landschaft wie den Ölberg bei den ersten Tafeln. Auch sein „Personal“ tritt gleich mehrfach auf. Das gilt zum Beispiel für einen kahlköpfigen Peiniger Christi mit einer Fliege am Hinterkopf. Besonders wirkungsvoll wird der Kontrast zwischen der tumben, lärmenden Brutalität der Verfolger und dem stillen Erdulden Jesu eingesetzt. Bewusst zeigt Hirtz das von seelischem wie körperlichem Schmerz gezeichnete Antlitz Christi meist frontal. Dadurch werden Anteilnahme und religiöses Empfinden gefordert.

Der Betrachter leidet
beim Zyklus mit

Die Darstellung des Leidensweges Christ ist bei Hirtz so hochemotional, dass der Betrachter mitleidet und so die Nachfolge Christi in der Begegnung mit den Tafeln antritt. Die ideologische Kehrseite dieser Botschaft ist die an mehreren Stellen zu beobachtende Verunglimpfung „ungläubiger“ oder „andersgläubiger“ Menschen – wodurch das Werk in einzelnen Tafeln wie der „Gefangennahme“ oder der „Entkleidung“ antijüdische Züge annimmt. 

Service: Sonderschau: „Ganz schön heftig – die Karlsruher Passion“, 8. April 2022 bis 16. April 2023, Wallraf-Richartz-Museum, Obermarspforten, Köln, Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Eintritt: 8 (ermäßigt 4.50) Euro. Weitere Informationen finden sich online unter: