Lauterbach-Akte der Widersprüche

Stadtmuseum Düsseldorf gewährt erstmals Einblick in das Dossier, das den Künstler neu bewertet.

Burscheid/Düsseldorf. Zwei Monate ist es her, dass die Neubewertung des Burscheider Künstlers Carl Lauterbach durch das Stadtmuseum Düsseldorf bekannt wurde. Grundtenor: Lauterbach (1906—1991) sei entgegen seiner Selbstdarstellung nach 1945 kein Verfolgter, sondern Profiteur des NS-Kulturbetriebs gewesen. Jetzt konnte der BV erstmals Einblick in die Quellen nehmen, auf die sich das Stadtmuseum als Besitzer des Carl-Lauterbach-Archivs beruft.

Erste Auffälligkeit: Das in einem schmalen Aktenordner enthaltene Dossier, in dem der damalige Archivleiter Werner Alberg seine Erkenntnisse und Quellen für Museumsdirektorin Susanne Anna zusammengefasst hat, datiert vom 13. April 2005, ist mithin schon sieben Jahre alt. Warum haben weder Museum noch Stadt Düsseldorf diese neuen Erkenntnisse in der ganzen Zeit offensiv publiziert?

Stattdessen wurde der nach Lauterbach benannte Preis für soziale Grafik seit 2007 stillschweigend nicht mehr verliehen. Und die Neubewertung wurde eher zufällig erst im Zuge einer aktuellen Ausstellung mit Zeichnungen jüdischer Kinder im Stadtmuseum publik.

Die Unterlagen werfen nun allerdings in der Tat zumindest eine Reihe Fragen auf zur Selbstdarstellung Lauterbachs. „Die Nazipresse erklärte meine Kunst für entartet“, schreibt Lauterbach in einem Lebensabriss. „Seit 1940 lebte ich verborgen in meiner Heimat.“

In einem anderen von ihm selbst 1947 verfassten Lebenslauf heißt es knapp: „Seit 1933 totgeschwiegen.“ Sein Rechtsanwalt erklärt am 9. März 1948: „Herr Lauterbach galt während des sogenannten Dritten Reiches als entarteter Künstler. Von den offiziellen Organen wurde er fast vollkommen ignoriert. An Ausstellungen konnte er sich grundsätzlich nicht beteiligen.“

Im Widerspruch dazu existiert ein von Lauterbach getippter „Nachweis meiner künstlerischen Betätigung in der Öffentlichkeit“. Sorgfältig aufgelistet finden sich nicht nur rund 40 Ausstellungen zwischen 1933 und 1943 in Städten wie Düsseldorf, Leipzig, Berlin und Essen, sondern 1940 auch eine Wehrmachtsausstellung für deutsche Soldaten in Brüssel und Paris.

Gesammelte Zeitungsausschnitte zwischen 1936 und 1943 mit Lauterbachs Erwähnung belegen weder ein Totschweigen noch eine durchgehende Diffamierung. 1936 erhält er anlässlich der Gaukulturwoche der NSDAP eine Einladung der „Gesellschaft zur Förderung der Düsseldorfer bildenden Kunst“: „Wir erlauben uns, Sie hierdurch zur Beteiligung an dieser Ausstellung einzuladen und bemerken ausdrücklich, dass wir auf Ihre Beteiligung besonderen Wert legen.“

Alberg zieht in seinem Dossier noch weitere Angaben Lauterbachs in Zweifel. Zwar habe dieser ab 1933 von der Künstlerfürsorge gelebt, zugleich aber 1943 noch ein Konto mit 25 000 Reichsmark (heutige Kaufkraft: etwa 100 000 Euro) besessen.

„Schlicht an der mangelnden Qualität“ habe es gelegen, dass Lauterbach während und nach der NS-Zeit ein größerer Erfolg verwehrt blieb, urteilt Alberg in seinem Dossier 2005. Spricht daraus der enttäuschte Forscher? Elf Jahre zuvor hatte er sich dem Künstler in dem Buch „Carl Lauterbach — Maler und Sammler“ noch huldvoll genähert. Und Lauterbachs heimlichen Grafiken attestiert: „Sie sind wichtige Beispiele des Widerspruchs gegen den NS-Staat.“