Versuchsgut: Auf dem Feld forscht der Zufall mit

In Höfchen testet Bayer seine Wirkstoffe immer im Vergleich — und achtet dabei auf Chancengleichheit.

Burscheid. Um dem Zufall auf die Sprünge zu helfen, muss man manchmal viel Geld in die Hand nehmen. Wenn auf dem Versuchsgut Höfchen von Bayer CropScience Ende März die Saat für die Zuckerrüben ausgebracht wird, ist dafür auf dem Acker eine Spezialanfertigung unterwegs. Auf dem Aufsatz hinter dem Traktor sitzen dann zwei Mitarbeiter und befüllen bis zu vier Trichter mit unterschiedlich behandeltem Saatgut. „Die Zufallsverteilung ist wichtig, um allen Präparaten die gleiche Chance zu geben“, sagt Dirk Ebbinghaus.

Seit knapp sechs Jahren steht der studierte Landwirt (47), der über Botenstoffe (Pheromone) bei Insekten promoviert hat, an der Spitze des Versuchsguts mit seinen 16 Mitarbeitern und 100 Hektar Anbaufläche. Und seit dieser Zeit ist er verantwortlich für die Koordination der Feldversuche, die der Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln für den weltweiten Einsatz dienen.

Die Betonung liegt auf weltweit. Für nur regional verwendbare Präparate würde sich der Aufwand nicht lohnen. Denn der ist groß: Bis es eine der Millionen Substanzen aus der Substanzbibliothek des agrochemischen Bayer-Teilkonzerns in Monheim zur Zulassung als Pflanzenschutzmittel geschafft hat, vergehen rund zehn Jahre „und wir investieren 200 Millionen Euro“, sagt Sprecher Utz Klages. Nur ein bis zwei von 100 000 Substanzen erreichen diese Zulassung überhaupt.

Während dieses langen Entwicklungsprozesses steht der Feldversuch in Höfchen keineswegs nur am Ende. „Vieles passiert parallel“, sagt Ebbinghaus. Wenn Substanzen im Labor und Gewächshaus interessante Wirkungen gezeigt haben, können sie schon nach zwei Jahren unter Feldbedingungen geprüft werden — allerdings nie ohne toxikologische Voruntersuchungen. Das erfordert nicht nur der Umweltschutz, sondern auch die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, die mit den Versuchspräparaten im Freiland arbeiten.

Weder bei der Zahl der Versuche noch bei aktuellen Entwicklungen will sich das Versuchsgut zu tief in die Karten gucken lassen. Die Anzahl der Konkurrenten auf dem Pflanzenschutzmarkt ist überschaubar, das gegenseitige Interesse an den Projekten der Wettbewerber entsprechend groß.

Aber klar ist: Beim Obstbau gilt der Schwerpunkt der Versuche den Äpfeln. Erst mit weitem Abstand folgen Birnen, Kirschen, Pflaumen und Beerensträucher. Im Ackerbau dreht sich vieles um Weizen und Gerste. Aber auch an Kartoffeln, Erbsen und Bohnen sowie Mais und Raps wird geforscht.

Dabei müssen sich die Präparate gegenüber marktüblichen Vergleichsmitteln und auch unbehandelten Kontrollen behaupten „und wir müssen Ertragseffekte beweisen“, sagt Dirk Ebbinghaus. Weil es dabei auf gleiche Ausgangsbedingungen ankommt, werden die 100 Hektar Versuchsfläche meist nicht ausgereizt.

Neben Insektiziden (zur Bekämpfung von Insekten), Fungiziden (zur Bekämpfung von Pilzen) und Herbiziden (zur Bekämpfung unerwünschter Pflanzen) gilt die Forschung auch den Saatgutbeizen. Sie sollen verhindern, dass schon das Saatkorn beschädigt wird, was sich oft erst Monate später im Wachstum zeigt.

Über den wirtschaftlichen Erfolg der Wirkstoffe entscheidet dann auch die Patentlaufzeit — 20 Jahre, in denen Bayer CropScience die exklusiven Vertriebsrechte besitzt. Den richtigen Zeitpunkt für den Antrag zu finden, ist eine Wissenschaft für sich. Wegen der hohen Investitionen wird nichts dem Zufall überlassen — bis auf manche wissenschaftlich gewollte Versuchsanordnung.