Dr. Christian Miller: Ambivalent. Im Vergleich zur ersten Welle ist jetzt die Infektionslast wesentlich höher. Die Fallzahlen, die wir zusammen mit dem Gesundheitsamt bearbeiten, sind deutlich gestiegen. Andererseits haben wir aus der ersten Welle viel gelernt und konnten Erfahrungen sammeln. Das Personal ist geschult und die Prozesse konnten optimiert werden. So können wir besser mit der aktuellen Situation umgehen und ich gehe daher davon aus, dass wir gut durch die zweite Welle kommen werden.
Interview „Wir haben gute Voraussetzungen für eine schnelle und effektive Impfung“
Wie schätzen Sie die Situation jetzt während des zweiten Lockdowns ein?
Sind die aktuell sinkenden Infektionszahlen ein Grund zum Optimismus?
Miller: Durch die für den zweiten Lockdown beschlossenen Maßnahmen sinken die Zahlen, was uns bei der Pandemiebewältigung Last nimmt. Allerdings hat sich das Testverhalten mit den Antigen-Tests verändert und die aktuellen Testzahlen sind nicht direkt mit den vorherigen Statistiken zu vergleichen. Da gibt es eine gewisse Grauzone, von der wir nicht wissen, wie groß diese ist. Allerdings ist die Situation in den Intensivstationen weiterhin hoch angespannt.
Gerade wurde der Teil-Lockdown bis zum 10. Januar verlängert.
Miller: Ich bin sehr gespannt, wie es jetzt mit dem Infektionsgeschehen weitergeht. Wir haben hier derzeit eine leichte Entlastung. Die Zahlen in den Kliniken und insbesondere auf den Intensivstationen sind aber immer noch sehr hoch. Da arbeitet das Personal weiter an der Belastungsgrenze. Dazu kommen die Weihnachtstage, an denen sich die Kontaktfrequenz erhöhen wird. Das wird sich auf die Infektionszahlen auswirken, die wieder steigen könnten. Insofern ist eine Verlängerung des Lockdown als positiv zu bewerten.
Wie beurteilen Sie die aktuellen Maßnahmen?
Miller: Wir sind gut aufgestellt, was den operativen Schutz der vulnerablen Gruppen, das Testangebot und die Koordination mit den Krankenhäusern angeht. Die mobilen Teams betreuen die Altenheime und das Pflegepersonal. Was wir brauchen, ist eine Planbarkeit und Handlungssicherheit über den 10. Januar hinaus. Da würden wir uns stabile Rahmenbedingungen wünschen.
Was werden die Impfstoffe für die Zukunft bringen?
Miller: Da ist die Hoffnung groß, dass wir mit den Impfstoffen eine echte Exitstrategie aus der Pandemie haben. Wichtig ist, dass die Impfbereitschaft entsprechend groß ist. Nur wenn sich mindestens zwei Drittel der Bevölkerung impfen lassen, ist das Ende der Pandemie wahrscheinlich. Köln bereitet sich derzeit intensiv darauf vor, sodass, sobald die Impfdosen vorhanden sind, direkt mit dem Impfen losgelegt werden kann.
Wie sieht die Impfstrategie für Köln aus?
In der ersten Phase werden mobile Impfteams die Alten- und Pflegeheimen versorgen. Parallel wird es mindestens ein festes Impfzentrum geben. Im Rechtsrheinischen stehen wir in Gesprächen mit der Messe. Für ein Impfangebot der Gesamtbevölkerung planen wir eine stufenweise Erweiterung, möglicherweise auch an einem Standort im Linkrheinischen. So haben wir insgesamt gute Voraussetzungen für eine schnelle und effektive Impfung.
Wer wird zuerst geimpft und ab wann gibt es Massenimpfungen für die gesamte Bevölkerung?
Miller: Sicher ist, dass es zunächst ein Impfangebot für die vulnerablen Gruppen geben wird. Möglichst parallel soll es das Impfangebot für die Mitarbeiter im Gesundheitssystem geben, um die Gesundheitsversorgung aufrechterhalten zu können. Das Limit ist bei allem immer aber die Verfügbarkeit der Impfstoffdosen. Wann die Gesamtbevölkerung geimpft werden kann, steht bislang noch nicht fest. Wir gehen davon aus, dass das im Laufe des kommenden Jahres der Fall sein wird. Wir planen die Impfzentren so, dass wir dort die Impfstraßen stetig erweitern können.
Wie sieht Ihr Berufsalltag derzeit aus?
Miller: Die Berufsfeuerwehr ist derzeit gut beschäftigt. Anfang des Jahres hatten wir noch einen Rückgang der Einsatzzahlen. Jetzt sind wir schon wieder auf dem Vorjahresniveau. Unser Kerngeschäft geht ungebremst weiter und Corona kommt noch obendrauf. So unterstützen wir das Gesundheitsamt und müssen uns auch um die Logistik bei der Schutzkleidung und den Masken kümmern. Ich selbst bin immer sehr früh im Büro. Das ist die Zeit, meine Aufgaben als Einsatzleiter in der Coronakrise abzuarbeiten. Dreimal in der Woche treffen wir uns im Krisenstab. Dazu kommen die normalen Aufgaben bei der Berufsfeuerwehr. So komme ich meist spät in der Nacht aus dem Büro und bin auch teilweise an den Wochenenden im Einsatz.
Welche Sorgen macht Ihnen die Silvesternacht?
Miller: Das ist immer unser einsatzreichster Tag im Jahr. Durch unsere Aufgaben in der Corona-Krise und den üblicherweise hohen Einsatzzahlen an Silvester könnte die Belastung der Feuerwehr und der Rettungsdienste besonders hoch sein. Jede Maßnahme, die uns und den Krankenhäusern hier Last abnimmt, wie das Böllerverbot auf bestimmten Plätzen, ist positiv. Hier ist ein gemeinsamer, solidarischer Beitrag von allen gefordert. Die Menschen sollten die Regeln einhalten und insbesondere größere Personenansammlungen meiden.
Wie wichtig ist dabei die Maskenpflicht?
Miller: Die Einhaltung der AHA-Regeln leistet einen wesentlichen Beitrag, um das Infektionsgeschehen abzumildern. Daher appelliere ich an die Bevölkerung, die Masken im Alltag stringent zu tragen. Das ist eine Schutzmaßnahme, die sich bewährt hat.
Was macht Ihnen derzeit Hoffnung und was Sorgen?
Miller: Hoffnung machen mir persönlich die Impfstoffe. Sie werden uns an den Punkt bringen, an dem wir aus der Pandemie wieder herauskommen. Sorgen macht mir, dass die Corona-Bedingungen jetzt schon monatelang anhalten. Das bringt die Mitarbeiter in den Kliniken, im Gesundheitsamt, bei der Feuerwehr und beim Rettungsdienst an ihre Grenzen. Sie arbeiten seit Monaten teilweise unter hoher Last.