Buch Vom kölschen Taj Mahal über die sakrale Burg bis zur Sandkapelle

Köln · Das „Heilige Köln“ war schon im Mittelalter für seine prächtigen Kirchen berühmt und zog Pilger aus ganz Europa an den Rhein. Die „Romanischen Kirchen“ sind neben dem Dom für viele Touristen auch heute noch ein Reiseziel, für das man gerne von weit her in die Stadt kommt.

In Groß St. Martin in der Altstadt hat die Gemeinschaft von Jerusalem ihren Platz gefunden.

Foto: Britta/Schmitz

Doch Köln und seine direkte Umgebung hat noch weit mehr bei den Gotteshäusern zu bieten. So sind alleine nach dem Krieg in der Metropole 194 neue Kirchen entstanden – darunter finden sich viele, die über eine einzigartige Architektur verfügen. Autorin Monika Schmitz hat sich mit der Fotografin Britta Schmitz auf die Suche gemacht und präsentiert in ihrem Buch „111 Kölner Kirchen, die man gesehen haben muss“.

Dabei wird der Kirchenbegriff weit gefasst. So findet sich in dem im Emons Verlag erschienen Band auch die Zentralmoschee in Ehrenfeld mit ihrer markanten Kuppel und den beiden filigranen Minaretten. Architekt war Paul Böhm, dessen Familie alleine 16 Sakralbauten in der Kölner Heimat geschaffen hat. Ebenfalls im Buch findet sich die Synagoge an der Roonstraße sowie die Kultur-Synagoge im Pulheimer Stadtteil Stommeln, die für ihre Kunstinstallationen überregional bekannt ist. Dazu kommt mit Hari Om Mandir der Tempel der afghanischen Hindu-Gemeinde mit seiner Farbenpracht, der sich in einem Gebäude in einem Industriegebiet in Rath versteckt. Für alle Religionen offen steht der Gebetsraum am Kölner Flughafen, der am Verkehrskreuz als Rückzugsort dient.

Spannend sind die Kirchen, hinter denen eine besondere Geschichte steckt. Das gilt zum Beispiel für St. Agnes am Neusser Platz, mit der ein liebender und wohlhabender Ehemann seiner verstorbenen Ehefrau ein Denkmal errichtet hat – quasi ein kölsches Taj Mahal. Es ist die zweitgrößte Kirche der Stadt und das Veedel um sie herum trägt ihren Namen – das Agnesviertel. In der monumentalen Hallenkirche im neugotischen Stil findet sich auch das Grab ihres Erbauers.

Der Geißbock und eine Boxlegende am Kölner Dom

Der Klassiker unter den Gotteshäusern ist natürlich der Dom, an dem es unzählige Details zu entdecken gibt. So wurde an der Fassade Geißbock Hennes genauso verewigt wie das Kölner Dreigestirn oder die Boxlegende Peter Müller. Selbst vom aktuellen Papst Franziskus findet sich ein Abbild – am Hauptportal in einem neuen Baldachin. Der FC findet sich übrigens auch in einem anderen Gotteshaus wieder – in St. Hubertus hat der Pastor und leidenschaftliche Fußballfan das Logo seines Lieblingsvereins oberhalb einer Säule anbringen lassen.

Berühmt sind die romanischen Kirchen wie Groß St. Martin in der Altstadt, ein Gotteshaus, das zum Mittelpunkt der monastischen Gemeinschaft von Jerusalem geworden ist. Die Brüder und Schwestern gehen ganz normalen Berufen wie Arzt oder Lehrerin nach. Zum Gebet treffen sie sich in ihrer Kirche – stets ein eindrucksvolles Bild für alle Besucher.

Es gibt auch immer wieder Kirchen, die ihre ursprüngliche Funktion verloren haben. Dazu gehört das Hostel Pathpoint Cologne. Wo früher sich die evangelische Gemeinde der Kreuzkirche traf, ist heute ein Platz für Rucksacktouristen aus aller Welt – insgesamt 161 Schlafplätze gibt es im umgebauten Gotteshaus an der Allerheiligenstraße. Eine kleine Klosterkapelle gab es im Gerlingsviertel. Sie war zwischenzeitlich die Betriebsbücherei des Versicherungskonzerns und beherbergt heute die Galerie Kaune Comtemporay. Das heutige Luxushotel Ovest und frühere Stadtarchiv war ursprünglich das Hauptgebäude des verschwundenen Klosters unweit von St. Gereon. Ein Kirchenturm ohne Kirche ist Klein St. Martin an der Pipinstraße – während die Kirche schon 1824 abgerissen wurde, hat man den romanischen Turm als wichtigen Teil des Rheinpanoramas erhalten und nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut. Er war längere Zeit der Leihturm der Kirche St. Maria im Kapitol, deren eigener Kirchenturm eingestürzt war. Mittlerweile ist in ihm eine Bar, eine Eventlocation und eine Galerie untergebracht worden.

Zu den herausragenden Gebäuden gehört definitiv „Madonna in den Trümmern“, die heute Teil des erzbischöflichen Museums Kolumba ist. Es erinnert an das Kriegswunder, bei dem in der weitgehend zerstörten Umgebung nur eine 500 Jahre alte Marienfigur unversehrt bleibt, was die Gläubigen in dieser Zeit tief beeindruckte und das ihnen wieder Hoffnung gab. Geschaffen wurde die neue Kapelle für die alte Marienfigur von Stararchitekt Gottfried Böhm. Bei St. Ursula in Hürth hat sich mit der „Böhm Chapel“ ein Gotteshaus in einen Kunsttempel verwandelt. Auch hier war Gottfried Böhm der Architekt. Bei St. Cäcilien wurde aus einer alten Kirche das heutige Museum Schnütgen. Nicht weit davon entfernt liegt die Kunststation St. Peter.

Besondere Kunst beherbergt auch die romanische Kirche St. Andreas unweit des Hauptbahnhofs. Für dieses Gotteshaus hat sich der Düsseldorfer Künstler Markus Lüpertz mit seinen außergewöhnlichen Kirchenfenstern verewigt. Ein weiteres Kunstwerk aus Glas befindet sich mit dem Richter-Fenster im Kölner Dom. Einen besonderen Schatz hat die Antoniterkirche mitten in der Kölner City vorzuweisen. Dort hat der Schwebende Engel von Ernst Barlach seinen Platz gefunden. Eigentlich wurde er für den Güstrower Dom geschaffen. Dort wurde die Skulptur als „entartete Kunst“ entfernt und eingeschmolzen. Ein geheimer Zweitguss konnte gerettet werden. Er wurde von der Stadt Köln gekauft.

Von der Kirche als Reihenhaus
bis zur Origami-Kirche

Gerade die Kölner Kirchen des 20. Jahrhunderts bringen ein stark verändertes Erscheinungsbild mit sich. So erscheint St. Gertrud von der Krefelder Straße aus wie ein Reihenhaus und von der Bahnseite wie ein eckiges Gebirge aus Beton. St. Franziskus in Bilderstöckchen wirkt von außen als runder Bachsteinbau wie eine sakrale Burg, flankiert von zwei halbrunden Türmen. Die Kirche Christi Geburt in Mengenich ähnelt dagegen einem ziemlich großen Origami-Kunstwerk - geknickt, gefaltet und irgendwie drapiert.

Über einen außergewöhnlichen Bodenbelag verfügt die Sandkapelle der Evangelischen Studierendengemeinde an der Bachemer Straße. Dort wurde ein Kellerkabuff mit einem Sandboden und Wasserinseln zu einer spirituellen Oase. Als „Zitronenpresse“ bekannt wurde St. Engelbert in Riehl, eine Kirche, die in den 30er Jahren von Dominikus Böhm mit einem Kreis aus acht Bögen errichtet wurde. Damals war der Bau ein echter Aufreger und ging als „Riehler-Kirchen-Skandal“ in die Stadtgeschichte ein.

Eine weitere ungewöhnliche Kirche in Köln ist St. Gregorius im Elend. Die sogenannte Elendskirche verdankt ihren Namen dem „Elendigen Kirchhof“, wo heimatlose, fremde, arme und alle andersgläubigen Toten begraben worden sind. Ein Adelsgeschlecht aus Flandern bereitete diesem unwürdigen Geschehen ein Ende – der Friedhof wurde mit einer Mauer umgeben und die Elendskirche in der heutigen Form gebaut. Die Kirche ist bis heute im Privatbesitz der Familie de Groote.

 

Monika Schmitz: 111 Kölner Kirchen, die man gesehen haben muss, Emons Verlag, 240 Seiten, 16,95 Euro