Anna Heller: Wir leben weiter zwischen Warten, Hoffen und Bangen. Während sich die Situation bei der Gastronomie zu verbessern scheint, ist die Lage der Brauerei schwieriger geworden. Der Wegfall des Fassbiers hat uns sehr belastet. Das macht für eine kleine Brauerei wie uns den Großteil des Umsatzes aus. Das Flaschenbier ist nicht so lukrativ, dass wir davon leben können. Das hat die Lage im Unternehmen zeitweise fast dramatisch gemacht. Sie hat sich aber dank der staatlichen Hilfen wieder gefestigt. Jetzt ist es wichtig, dass jetzt externe Abnehmer wie Klubs oder Kneipen wieder langfristig das Fassbier abnehmen – deutlich länger als nur die drei Sommermonate.
Gastronomie „Wir leben weiter zwischen Warten, Hoffen und Bangen“
Wie erleben Sie gerade die Situation in der Corona-Krise?
Was hat sich im Vergleich zu den Monaten Mai und Juni im Vorjahr verändert?
Heller: Der erste Lockdown im Vorjahr hat gerade mal acht Wochen gedauert. Da war das Bier, das wir bei der Schließung im Frühjahr gebraut haben, noch haltbar. Das ist jetzt nach gut einem halben Jahr nicht mehr der Fall. Da müssen wir wieder bei null anfangen. Das bedeutet einen kompletten Neustart für uns. Es gab immer wieder Grund zur Hoffnung. So haben wir im Januar den Maibock eingebraut, in der Erwartung, im April wieder öffnen zu können. Jetzt sind wir deutlich vorsichtiger geworden, da wir bei den Rohstoffen und der Arbeitskraft in Vorleistung gehen müssen. Die Brauerei braucht zwei bis drei Wochen Vorlauf, die Gastronomie zwei. Jetzt hatten wir gerade mal fünf Tage. Das war im Frühjahr 2020 anders, da gab es einen festen Termin für die Wiedereröffnung.
Wie schwer ist es, für die Gastronomie wieder Personal zu finden?
Heller: Das gestaltet sich sehr schwierig. Seit gut zwei Wochen ist unser Betriebsleiter dafür ständig am Telefon. Pro Tag gibt es drei bis vier Bewerbungsgespräche. Studenten, die früher bei uns gearbeitet haben, sind jetzt zum Beispiel in Testzentren mit festen Arbeitszeiten beschäftigt. Aber das Trinkgeld und der Spaß an der Arbeit im Biergarten dürfte doch noch viele überzeugen. Wir haben etwa 50 Aushilfen für den Betrieb. Davon sind jetzt noch die Hälfte da. Auch drei feste Mitarbeiter haben uns verlassen und sich beruflich neu orientiert. Das Problem ist, dass jetzt alle Gastronomen Mitarbeiter suchen.
Wie läuft die Wiedereröffnung praktisch ab?
Heller: Im Biergarten gibt es wieder wie im Vorjahr Einweiser, welche die Gäste zum Platz begleiten. Der Einlass wird etwas länger dauern, da die Testnachweise oder Impfpässe kontrolliert werden müssen. Anders ist auch, dass wir jetzt bei den Kontaktdaten nicht mehr auf Zettel, sondern auf eine App setzen. Das ist nachhaltiger. Es wird aber noch Zettel für Gäste geben, die nicht mit der App arbeiten. Eine Reservierung wird es im Biergarten auch weiter nicht geben, das gab es bei uns noch nie. Da ist uns auch das Wetter zu unsicher. Im Vorjahr hat das gut funktioniert – die Leute waren glücklich, dass sie wieder raus konnten und im Biergarten den gewohnten Service bekommen.
Werden die Gäste trotz der Pandemie wieder zurückkommen?
Heller: Da bin ich mir sicher. Wir hatten ein halbes Jahr geschlossen und die Leute haben Sehnsucht, nach dem, was wir ihnen bieten. Im vergangenen Frühjahr waren die Menschen vorsichtig und am Wochenende vor der Schließung war fast nichts mehr los. Jetzt im Oktober waren wir im Brauhaus komplett ausreserviert, bevor der Lockdown begonnen hat.
Das Viertel um das Brauhaus ist ein Studentenviertel. Und die Studenten sind aktuell zu Hause, statt an der Uni. Wie wirkt sich das bei Ihnen aus?
Heller: Man merkt das Fehlen der Studenten. Ich wohne hier im Viertel und das ist im Moment ziemlich tot. Deshalb werden wir das Brauhaus an der Roonstraße im Sommer zunächst nicht öffnen. Das lebt von den Studenten, die bei uns ihr Bier trinken. Aber wir gehen davon aus, dass sich die Lage wie im Vorjahr im Laufe des Sommers entspannen wird.
Wie wird sich die Kölner Gastroszene durch die Pandemie verändern?
Heller: Die Szene wird sich verändern, weil einige Betriebe wohl nicht überleben werden. Das wird sich aber erst mit der Zeit zeigen. Das gilt vor allem für die Phase nach der Pandemie, wenn es keine Hilfen mehr gibt und die Möglichkeit, Kurzarbeit einzusetzen, fehlt. Dann reichen ein oder zwei schlechte Monate, um einen Betrieb in Schwierigkeiten zu bringen. Denn bei vielen Kollegen sind die Rücklagen jetzt aufgebraucht. Da muss man schon sehr gut planen, um eine Chance zu haben. Wir informieren die Stadt immer wieder über diese Gefahr, um hier die Gastroszene im Viertel auf einem hohen Niveau zu halten.
Wie sieht das Hygienekonzept für den Biergarten aus?
Heller: Wir haben ein ausgereiftes Konzept, das sich schon im Vorjahr bewährt hat. Dazu zählt zum Beispiel, dass wir zwischen sauberen und dreckigen Runden trennen. Es werden nur Getränke raus an die Tische gebracht, die leeren Gläser und Teller werden dann in einer extra Runde eingesammelt. So kann es nicht zur Berührung zwischen neuem und gebrauchten Geschirr kommen. Die Tische werden regelmäßig desinfiziert für die neuen Kunden und dann auch entsprechend gekennzeichnet. Bei den Sitzplätzen müssen wir wegen der Abstände deutlich reduzieren. Statt der sonst üblichen 650 Plätze gibt es jetzt nur 290. Das sind 60 Prozent weniger, was für uns als Unternehmen sehr schmerzhaft ist.
Sie brauen Biobiere. Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit jetzt in der Krise?
Heller: Wir haben im Frühjahr das Zertifikat „Ökoprofit“ bekommen, auch weil wir viele Prozesse in der Brauerei umgestellt haben, um weniger Ressourcen zu verbrauchen. Das Thema hat durch Corona an Bedeutung gewonnen. Das ist für die Gäste im Biergarten vielleicht nicht so entscheidend, für die Endverbraucher zu Haus aber schon.
Wie konnten Sie die Zeit des Lockdowns nutzen?
Heller: Neben dem Umstellen der Prozesse in der Brauerei gab es im Brauhaus eine komplett neue Elektronik inklusive der Beleuchtung. Auf das Sonderbier haben wir wegen der Unsicherheiten des Lockdowns verzichtet. Unser Pils ist aber inzwischen naturtrüb und schmeckt so deutlich besser. Naturtrübe Biere liegen aktuell voll im Trend.
Das zeigt auch das Wiess der Kollegen von Gaffel.
Heller: Bei uns war das Wiess das erste Bier, das wir gebraut haben. Das Kölsch kam erst später. Dass eine große Brauerei sich traut, naturtrübes Bier zu brauen, freut uns. Konkurrenz belebt das Geschäft.
Was macht Ihnen im Moment Sorgen und was Hoffnung?
Heller: Hoffnung macht mir, dass aktuell die Zahlen so runtergegangen sind, dass wir die Chance auf einen normalen Sommer haben. Sorgen macht mir eine mögliche vierte Welle im Herbst, die neue, scharfe Beschränkungen mit sich bringen könnte. Es ist schwer, dass man aktuell nur für drei oder vier Monate im Voraus planen kann. Das geht an die Psyche und an die Nerven. Es ist hart, nicht die Arbeit machen zu können, die einem wirklich Spaß macht. Das heißt aber nicht, dass wir in den vergangenen Monaten nichts zu tun gehabt hätten.