Nach Dienstwaffeneinsatz in Wuppertal und Düsseldorf Polizisten schossen in NRW 1612 Mal

Düsseldorf · Zahlen belegen, dass Polizisten in NRW häufiger ihre Dienstwaffe benutzen. Allerdings: Die meisten Schüsse richten sich gegen Tiere.

Stecken lassen oder ziehen? Für Polizisten im Dienst ist die Entscheidung, zur Waffe zu greifen, nicht leicht.

Foto: dpa/Oliver Berg

Samstag, 7. Dezember, ein 25-Jähriger randaliert in Wuppertal mit einem Hammer, attackiert wohl auch eintreffende Polizisten; diese schießen auf ihn, der junge Mann stirbt. Sonntag, 15. Dezember, in Düsseldorf kontrollieren Zivilbeamte ein Fahrzeug, plötzlich steigt einer der Männer ins Auto und fährt auf die Polizisten zu; einer zieht die Waffe und feuert – keine Verletzten. Zweimal innerhalb von acht Tagen haben Polizisten in der Region ihre Dienstwaffe eingesetzt, in mindestens einem Fall direkt gegen einen Menschen. Ebenfalls am 15. Dezember erschießen Beamte in Mannheim einen 44-Jährigen, der sie mit einem Messer bedrohte. Solche Nachrichten fallen auf – weil sie nicht alltäglich sind.

Auf Anfrage berichtet das NRW-Innenministerium: In den vergangenen fünf Jahren gab es beim Schusswaffengebrauch der Polizisten im Lande eine Steigerung. 2014 fielen in 1214 Fällen Schüsse aus Dienstwaffen (2015: 1390, 2016: 1560, 2017: 1484), zuletzt vergangenes Jahr in 1612 Fällen. Allerdings: Der mit Abstand größte Anteil dieser Schüsse richtete sich gegen Tiere, vor allem gegen kranke oder verletzte, die es zu erlösen galt (2014: 1192, 2015: 1365, 2016: 1536, 2017: 1449, 2018: 1582).

Auch bei den Warnschüssen sowie dem Einsatz des Revolvers gegen Menschen gibt es in diesem Zeitraum eine Zunahme – diese ist aber nicht kontinuierlich und in einem niedrigen Bereich. Sieben Warnschüsse gaben Polizisten 2014 ab (2015: 12, 2016: 10, 2017: 9), 2018 waren es elf. Der Schusswaffengebrauch gegen Personen stieg von zwölf Fällen seinerzeit auf zuletzt 19 (2015: 12, 2016: 11, 2017: 26), die Zahl der Getöteten von zwei auf drei (2015: 3, 2016: 3, 2017: 5). Schüsse auf Sachen – etwa Autoreifen – gab es 2014 und 2016 je dreimal, 2015 einmal, in den vergangenen zwei Jahren gar nicht.

In Trainings stellt die Polizei Bedrohungsszenarien nach

Wann und wie Polizisten von ihrer Dienstwaffe Gebrauch machen sollen, regelt das Polizeigesetz. Diese rechtlichen Grundlagen seien Inhalt des Studiums, erklärt eine Ministeriumssprecherin. Darüber hinaus gebe es aber dort wie später regelmäßig in der Fortbildung die Trainings „Schießen – nicht schießen“, bei denen praxisnah Bedrohungssituationen nachgestellt werden, in denen die Polizisten rasch entscheiden müssen, ob sie die Waffe ziehen und dann auch schießen. Es sei der Versuch, so die Sprecherin, „Hemmung zu nehmen durch Handlungssicherheit“. Denn Angst vor dem Schusswaffengebrauch dürften die Beamten nicht haben.

Dennoch sei der tödliche Einsatz ihrer Waffe für viele Polizisten ein belastendes Erlebnis. Inzwischen werde immer in einem solchen Fall das „PSU-Team“ der Landespolizei zur psychosozialen Unterstützung hinzugezogen: „Da ist ein Standard eingerichtet.“ Keine statistischen Erkenntnisse gibt es über die Folgen, die ein solcher Einsatz für die Beamten hat – ob sie psychisch darunter leiden, versetzt werden müssen oder sogar den Dienst quittieren. Ebenfalls, erklärt man auf Nachfrage im Justizministerium nicht über die juristischen Folgen. Denn: Schießt ein Polizist, werden stets Ermittlungen eingeleitet, ob das auch adäquat war. Dass dies bestätigt werde, sei „der Regelfall“, so ein Sprecher. Zahlen zu Anklagen oder Urteilen gegen Beamte existierten nicht.