Frau Dr. Warnecke, im kommenden Jahr treten Sie bei der Landrats-Wahl an. Mit welchen Gefühlen beenden Sie ihre fast zehnjährige Tätigkeit an der Spitze der Stadtverwaltung?
Dr. Bettina Warnecke „Dieses Amt ist immer noch wunderschön“
Interview | Haan · Die Bürgermeisterin über fast zehn Jahre an der Stadtspitze, Entscheidungen, die sie stolz machen – und Fehler, die sie so nicht mehr machen würde.
Bettina Warnecke: Die letzten gut neun Jahre waren für mich eine sehr intensive Zeit – intensiv in der Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung, intensiv in der Zusammenarbeit mit dem Stadtrat und den Fraktionen, intensiv im Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern und auch intensiv vom Arbeitspensum. Zu wissen, dass diese Zeit in zehn Monaten enden wird, stimmt mich schon traurig. Für mich persönlich darf ich sagen: Ich werde bis zu meinem letzten Tag, dem 31. Oktober, alles geben.
Haan ist so wie die meisten Kommunen in seiner Handlungsfähigkeit durch finanzielle Zwänge eingeschränkt. Bund und Land bestellen Musik, die Städte müssen zahlen. Geht man da nicht durch die Decke?
Warnecke: Ja, vollkommen richtig. Ich hätte dem Stadtrat für das letzte Haushaltsjahr in der Legislaturperiode gern einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Dies ist uns – wie fast allen Kommunen in NRW – leider nicht möglich. Wir sind dringend auf Hilfe aus Düsseldorf und Berlin angewiesen – denn es sind Bund und Land, deren Entscheidungen gravierende Auswirkungen auf unseren Haushalt haben. Allein durch das sogenannte Entlastungspaket III des Bundes aus dem Jahr 2022 werden den Kommunen in den kommenden Jahren Milliarden an Steuereinnahmen fehlen. Das geplante Wachstumschancengesetz wird uns bei den Gewerbesteuereinnahmen noch empfindlich treffen. Auch die Wohngeldreform des Bundes oder auch das Ganztagsförderungsgesetz sind Aufgaben, die nicht durchfinanziert sind. Allzu oft ignorieren Beschlüsse von Bund und Land die realen Möglichkeiten vor Ort.
Was ist Ihnen, rückblickend auf Ihre Amtszeiten, besonders wichtig?
Warnecke: Klare Schwerpunkte meiner beiden Amtszeiten waren die Investitionen in unsere Schulen und Kindergärten (über 90 Mio. Euro), aber auch in unsere Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung, Freizeitanlagen und Spielplätze. Unser Stadtrat hat in diesen Jahren viele kluge Entscheidungen für Investitionen bei niedrigen Zinsen getroffen und damit unsere Stadt beim Thema Bildung, aber auch Stadtentwicklung weit nach vorne gebracht. Einen wichtigen Ratsbeschluss trafen wir unter anderem im Jahr 2017, als wir die Existenz unseres höchst defizitären Hallenbads sicherten, indem wir es auf die Stadtwerke Haan übertrugen. Wenn ich heute aus dem Rathaus auf das Hallenbad gucke, dann freut es mich immer wieder zu sehen, wie liebevoll sich die Stadtwerke um das Hallenbad kümmern: hier wurden seit der Übertragung über 2 Millionen Euro in barrierefreie Zugänge, in das Dach, in Beleuchtung etc. investiert. Für die Stadtverwaltung, ohne die alle Ratsbeschlüsse nicht umsetzbar wären, freut es mich immens, dass der Stadtrat in der letzten Sitzung den Bau- und Finanzierungsbeschluss für ein neues Rathaus freigegeben hat – eine seit mehreren Jahrzehnten diskutierte und immer wieder verschobene Maßnahme. Über eins bin ich aber besonders froh: Dass wir in Haan immer wieder bewiesen haben, dass es möglich ist, einiges zu bewegen und umzusetzen, wenn wir am gleichen Strang ziehen. Das tun die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich ehrenamtlich einbringen, dafür steht unsere Stadtgemeinschaft.
Würden Sie mit der heutigen Kenntnis der finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten den Beschluss zum Neubau der Polizeiwache noch einmal genauso treffen?
Warnecke: Mit dem heutigen Wissen in der heutigen Zeit, bei den heutigen finanziellen Rahmenbedingungen glaube ich nicht, dass der Stadtrat einem solchen Projekt zustimmen würde. Es steht aber außer Frage, dass wir – damals wie heute – eine Polizeiwache vor Ort brauchen. Und ich bin froh, dass wir durch unser Bauvorhaben an der Kaiserstraße die Polizei in Haan am Standort halten werden.
Momentan vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein weiteres Geschäft aufgibt und den Leerstand in der Haaner Innenstadt verschärft. Sehen Sie über den Gründerwettbewerb hinaus noch Möglichkeiten, das Ruder herum zu reißen?
Warnecke: Das ist richtig, unser Einzelhandel in der zentralen Innenstadt macht uns Sorgen. Es wäre ein falsches Signal, in solchen Zeiten einen Drogeriemarkt in Unterhaan zuzulassen und dadurch noch weniger Frequenz in der Innenstadt zu erzeugen. Ursächlich für das Sterben des Einzelhandelns – und das nicht nur in Haan – ist das Onlinegeschäft und das veränderte Kundenverhalten. Die städtischen Zuschussprogramme für die Anmietung freier Ladenlokale, auch die Corona-Hilfen der Stadt haben zeitweise Wirkung gezeigt. Der gerade aktuell ausgeschriebene Gründerwettbewerb läuft und wir haben Hoffnung, dadurch mindestens ein neues inhabergeführtes Geschäft nach Haan zu holen. Ein weiterer Lichtblick, den unsere Wirtschaftsförderung auf den Weg gebracht hat, ist die Ansiedlung von Denn`s Biomarkt mit knapp 600 Quadratmetern Verkaufsfläche im alten Postgebäude. Drücken wir die Daumen, dass der Umbau in 2025 rasch über die Bühne geht. Und dass der Stadtrat weiterhin an seiner Entscheidung festhält, einen Vollsortimenter am Rathausparkplatz als Magneten für den Einzelhandel anzusiedeln.
Worauf sind Sie am Ende Ihrer Amtszeit besonders stolz?
Warnecke: Ich bin dankbar, dass ich nach fast zehn Jahren als Bürgermeisterin auf eine intensive und ergebnisreiche Zeit zurückblicken darf, in der wir gemeinsam viele strategisch wichtige Entscheidungen in der Verwaltung vorbereitet und anschließend im Stadtrat getroffen haben. Ich bin dankbar dafür, dass das Wirken im Stadtrat, die Umsetzung der Projekte durch die Verwaltung ohne viel Tamtam, aber ergebnisorientiert vonstatten gegangen ist. Stolz bin ich auf die Haanerinnen und Haaner, die gemeinsam auf die Straße gehen und für unsere Demokratie demonstrieren; auf die Haanerinnen und Haaner, die ehrenamtlich für ihre Stadt Flagge zeigen und die gemeinsam feiern können und füreinander da sind.
Welchen Fehler würden Sie heute nicht mehr machen?
Warnecke: Na klar, Fehler machen wir alle, sind mir nicht nur am Anfang meiner Amtszeit passiert, sondern auch noch heute. Es ist der Umgang mit dem Fehler, der gelernt sein will und bei dem auch viel schief gehen kann. Bei den Klappstühlen etwa hätte ich früher meine eigene Bewertung abgeben sollen, dass die Kosten zu hoch waren und das Ausleihverfahren nicht wirklich praktikabel ist.
Können Sie jungen Leuten heute guten Gewissens empfehlen, einen Bürgermeisterposten anzustreben?
Warnecke: Ja, auf jeden Fall! Dieses Amt ist ein wunderschönes Amt, eine Aufgabe, in der man gestalten kann und das direkt in der Stadt, die einem am Herzen liegt. Charakterlich sollte man allerdings ein dickes Fell mitbringen. Vieles von dem, was man tut, wird zum Teil in sozialen Medien populistisch und häufig ohne Kenntnis der tatsächlichen Sachverhalte bewertet. Da muss man dann durch und sich immer wieder sagen: Schau nach vorn, bleib bei der Sache, von der Du überzeugt bist.