Geburtstag Lachen als Therapie

DÜSSELDORF · Er ist Kabarettist, Comedian, Bestseller-Autor und Fotograf. Dieter Nuhr, der „NZZ“ zufolge „Deutschlands erfolgreichster wie meistgehasster Kabarettist“, wird am Donnerstag 60 Jahre alt.

Dieter Nuhr gilt vielen als Deutschlands erfolgreichster Kabarettist. Doch seit einiger Zeit ist das Geschäft für ihn rauer geworden.

Foto: dpa/Marcel Kusch

. Er ist Kabarettist, Comedian, Bestseller-Autor und Fotograf. Dieter Nuhr, der „Neuen Zürcher Zeitung“ zufolge „Deutschlands erfolgreichster wie meistgehasster Kabarettist“, wird am Donnerstag 60 Jahre alt. Geboren ist er in Wesel, aufgewachsen in Düsseldorf. Dort hat er immer noch eine Wohnung, verrät er im Interview.

Herr Nuhr, wie feiern sie Ihren 60.?

Nuhr: Normalerweise sind wir an meinem Geburtstag immer irgendwo in der Welt auf Reisen. Diesmal werden wir wohl in Italien sein. Feiern kann man ja nicht.  Man kann gerade nicht 100 Leute zusammentrommeln. Das ist halt so in diesen Tagen.

Vor zehn Jahren haben Sie sich über Leute beklagt, die ihnen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Ist es seither schlimmer geworden?

Nuhr: Es ist flächendeckender geworden. Es gibt kaum noch ein Thema, bei dem nicht Leute fordern, dass man den Mund hält und das einem die Sendung weggenommen wird. Für mich ist das aber kein so großes Problem wie für andere. Ich kann mich wehren. Bei jungen Künstlern ist das anders.

Geärgert hat viele Ihre rhetorische Frage, was Greta Thunberg eigentlich im Winter macht: „Heizen kann es ja nicht sein.“

Nuhr: Ja, aber Heizen ist tatsächlich ein Problem. Als wäre ein Systemwechsel einfach so zu machen. Die globale Wirtschaftsweise zu ändern, ist wahnsinnig schwierig, ohne auf der anderen Seite wahnsinnig viel Leid zu erzeugen bei denen, die aus dem Produktionsprozess dann rausfallen. Es kann nicht die Alternative sein, dass wir uns wie Greta in ein Segelboot setzen. Ich bewundere sehr, wie dieses Mädchen sich einsetzt – mit welchem Idealismus und mit welcher Härte gegen sich selbst. Aber wir haben eine ganz schwierige Problemlage, was den Klimawandel angeht. Abstellen, Aufhören, Stoppen alleine kann es nicht sein. Das führt zu viel zu großen Opfern. Wir sehen ja gerade bei Corona, was passiert, wenn wir nur sechs Wochen die Weltwirtschaft abstellen, wie viele Millionen Menschen da in Armut fallen. Aber es wird nur darüber diskutiert, ob ich einen Witz über Greta machen darf, die damals mächtigste und wichtigste Frau der Welt.

Sie werden auch angefeindet, weil Sie gegen gendergerechte Sprache sind.

Nuhr: Ja, die benutze ich nicht. Der grammatikalische Artikel hat im Deutschen mit dem Geschlecht des Bezeichneten nichts zu tun. Daraus abzuleiten, ich hätte nichts übrig für die Gleichberechtigung und die Freiheit aller Lebensentwürfe, das kann nur böswillig gemeint sein. Bestimmte Gruppen beanspruchen da für sich die Hoheit über die Zeichen, die Herrschaft über die Sprache. Diese Leute glauben, man müsse die Sprache ändern, damit sich die Realität ändert. Das ist unbelegter ideologischer Krempel, der jeder Grundlage entbehrt. Ich habe noch kein einziges Argument dafür gehört, dass, wenn ich ein „-innen“ anfüge, dies die Stellung von Frauen oder Trans-Personen in der Gesellschaft ändern würde. Dieser Glaube, die Realität würde sich der Sprache anpassen, ist ja ohne jeden Beleg und ein Zeichen für ideologischen Kontrollwahn.

Seit wann weht Ihnen der Wind so ins Gesicht?

Nuhr: Gute Frage. Irgendwann wurde entdeckt, dass ich das kabarettistische Klischee verlassen habe. Natürlich ist jeder gegen den Klimawandel, aber wenn man anfängt, darüber nachzudenken, was man wirklich dagegen tun kann, verlässt man oft schon die gemeinsame Basis. Dann wird man vom Freund plötzlich zum Feind. Wenn ich einen Grünen kritisiere, bin ich sofort ein Klimaleugner, wenn ich die AfD kritisiere, bin ich ein Volksverräter. Drunter macht es keiner mehr. Skandalisierung ist der Normalzustand unserer Auseinandersetzung geworden. Dass ausgerechnet ich da ständig mitten drin bin, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich ideologisch nicht leicht verortbar bin.

Wenn Kollegen wie Volker Pispers Sie angehen, der Sie als „humoristischen Arm der Pegida-Bewegung“ bezeichnet hat, trifft Sie das?

Nuhr: Ich habe mich niemals pro Pegida oder AfD geäußert, ich lasse keine Gelegenheit aus, um meine größtmögliche Distanz zu diesem Haufen zu demonstrieren. Wenn mich jemand so etikettiert, tut er das wider besseres Wissen, um einen Andersdenkenden zu diffamieren und aus dem Diskurs zu entfernen. Das ist schäbig, aber üblich heute.

Schon mal daran gedacht, nur noch zu fotografieren?

Nuhr: Nein, im Gegenteil. Ich halte es für wichtiger denn je, mitzureden, nicht klein beizugeben. Je größer die Lautstärke wird, für umso wichtiger halte ich nachdenkliche Stimmen. Und, ehrlich gesagt, halte ich mich für eine nachdenkliche Stimme, auch wenn in der Zeitung steht: „Nuhr wütet wieder“ – das ist sowieso immer gelogen. Ich wüte nie. Ich spreche in der Regel ruhig und bedacht. So geht heute skandalisierender Journalismus, Clickbaiting. Meine Arbeit besteht darin, mit Humor zu verarbeiten, was da draußen gerade los ist. Ich versuche, mit Freude an der Auseinandersetzung auf lustige Art Nachdenklichkeit zu erzeugen. Ich glaube, dass deswegen so viele Leute meine Sendung gucken.