Medizin-Studierende arbeitet an Düsseldorfer Klinik Die Pflegekräfte sind sehr erschöpft
Düsseldorf · Eine Medizin-Studentin der Heinrich-Heine-Universität erzählt anonym von ihrer Arbeit an einem Düsseldorfer Krankenhaus. Auf den Stationen sieht sie viele überlastete Pflegekräfte, der Ton sei oft harsch.
Melanie hatte sich das schon anders vorgestellt, die Arbeit auf Station und vor allem das Miteinander. Die Medizin-Studentin der Heine-Universität, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, arbeitet an einem Düsseldorfer Krankenhaus, um Praxiserfahrungen zu sammeln. Ihr Job ist es vor allem, Patientinnen und Patienten auf den unterschiedlichsten Stationen Blut abzunehmen und das Personal so in der Pandemie vor Ort zu entlasten. Eingearbeitet wurde sie von einer ausgebildeten Fachkraft dafür nicht: „Das war ein ziemlicher Schock. Ich denke, dass das eigentlich nicht so abläuft“, sagt Melanie. Ein Student, der den Job schon etwas länger machte, habe das übernommen. Melanie arbeitete aber auch einen Tag freiwillig bei ihrer Hausärztin, um sich auf ihre Aufgabe vorzubereiten.
Die Pflegekräfte sind
müde und angestrengt
Während ihrer Schichten sieht die Studentin die unterschiedlichsten Krankenstationen – und immer wieder hört und sieht sie vor allem eins: erschöpfte Pflegekräfte. „Viele Pflegerinnen sagen das auch sehr offen, dass sie total erschöpft und müde sind oder dass sie keine Lust haben, schon wieder zu dem Patienten zu gehen“, erzählt Melanie. „Denn wenn es einer mit Corona ist, bedeutet das jedes Mal, wieder die komplette Schutzausrüstung an- und auszuziehen, sich zu desinfizieren, alles zu entsorgen.“ Und das sei dann eben wirklich sehr anstrengend.
Und wenn dann noch eine der Pflegerinnen den Anruf aus der Kita oder Schule bekomme, ihr Kind sofort abholen zu müssen, sei das eine enorme Zusatzbelastung für das übrige Team: „Die anderen versuchen dann, die Arbeit der Kollegin mitzumachen, aber man merkt schon, dass sie das auch sehr anstrengend finden.“ An vielen Düsseldorfer Krankenhäusern war der Fachkräftemangel schon vor Beginn der Corona-Pandemie spürbar. Doch diese hat ihn befeuert, die Omikron-Variante führt zurzeit an vielen Häusern zu einem Höchststand an Personalausfällen, weil Beschäftigte sich selbst anstecken oder als Kontaktperson in Quarantäne müssen. An der Uniklinik haben seit Beginn der Pandemie nie mehr Mitarbeitende wegen Infektion und Quarantäne gefehlt.
Die Auswirkungen erlebt Melanie bei ihrer Arbeit vor allem im Miteinander. Ein „Hallo“ oder „Wie geht es dir?“ hat die Medizin-Studentin bei ihrer Arbeit auf den unterschiedlichsten Stationen bis jetzt eigentlich nie gehört, sagt sie. Der Ton auf den Stationen sei oft harsch und bitter, der Imperativ nicht selten zu hören. Daran habe sie sich sogar inzwischen fast gewöhnt. „Ich denke, dass viele vor Ort aufgrund der Pandemie sehr belastet sind, sich deswegen vielleicht auch leichter im Ton vergreifen.“ Oft seien es die Pflegekräfte, die besonders viel zu tun hätten, die ihr dann doch mal ein Glas Wasser anbieten oder sagen würden: „Komm, ich mache das.“ Mit dem ärztlichen Personal habe sie eigentlich keinen Kontakt. „Vor allem die Assistenzärzte, das sehe ich, sind immer sehr im Stress, laufen hin und her, sind aber auch empathisch.“ Anders erlebe sie Oberärzte. „Druck ausüben und einen bitteren Ton anwenden, das habe ich zumindest so gesehen: Das geht eher von den Oberärzten aus, obwohl die oft nicht den Eindruck machen, unter einem so enormen Druck und Stress zu stehen.“
Vielen Kräften fehlt die Anerkennung
Melanie hat den Eindruck, dass die Aufgaben vor Ort unfair verteilt sind, die einen unter enormem Druck stehen – und andere eben nicht. „Ich denke aber auch, ein ‚Danke‘ würde schon viel auf den Stationen bewirken, die Anerkennung, die fehlt vielen Menschen“, sagt die Studentin. Sie kann verstehen, wenn Pflegekräfte nach gut zwei Jahren Dauerbelastung in der Pandemie den Job aufgeben wollen. „Sie bringen sich ja auch selbst in Gefahr, ihre Familien, trotz Schutzausrüstung, es gibt immer ein Risiko, jeden Tag“, sagt sie. Das hat sie auch selbst feststellen müssen. Ein paar Mal habe sie sich nach der Blutabnahme bei Patientinnen und Patienten mit der Nadel versehentlich selbst gestochen. „Es war zum Glück nicht dramatisch, da sie keine Blutkrankheit oder was ähnliches hatten, aber man muss auch an sich selbst denken, also daran, sich zu schützen“, erzählt Melanie. Die Blutabnahmen seien auch oft schwierig: „Hinter der Plexiglasscheibe sehe ich noch weniger und wenn die Patienten schlechte Venen haben, ist die Blutabnahme echt nicht leicht.“
Von ihrem Berufsziel will sich die Medizin-Studentin durch ihre Erfahrungen aber nicht abbringen lassen. Es fühle sich gut an, wenn sie von ihren Patientinnen und Patienten hört, dass sie bei der Blutabnahme keinen Schmerz spürten oder dass sie sich freuen, auch mal jemand Junges zu sehen. „Ich habe auch sehr gute Menschen kennengelernt und gesehen, wie das Schicksal einen treffen kann.“