75 Jahre nach der Pogromnacht: Geschäftsjubiläum mit Beigeschmack
Die Jüdische Gemeinde erhebt schwere Vorwürfe gegen das Fachgeschäft Betten Hönscheidt.
Düsseldorf. In wenigen Tagen jährt sich die Pogromnacht zum 75. Mal. Auch in Düsseldorf gab es in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 schwere Ausschreitungen gegen Juden — fast 500 Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört, 15 Menschen starben, die Synagoge brannte. Der Auftakt für den Holocaust.
Ebenfalls zum 75. Mal jährt sich in diesem Jahr die Gründung des Düsseldorfer Fachgeschäftes Betten Hönscheidt. Mit einem Laden an der Schadowstraße 52 fing (vermeintlich) alles an, heute gibt es zwei Filialen: an der Benrather Straße 9 und der Schadowstraße 82.
Auf den ersten Blick scheinen beide Ereignisse nichts miteinander zu tun zu haben. Doch Michael Szentei-Heise, Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde, sieht das anders: Er meint, dass die Kaufleute in Wirklichkeit den 75. Jahrestag der Arisierung eines einst jüdischen Ladens feiern.
Und das kommentierte er Donnerstag in einer Pressemitteilung mit bitterem Spott: „Die Jüdische Gemeinde würde gerne zum 75. Geburtstag gratulieren, wenn es etwas zu feiern gäbe.“ Und: „Wir nehmen uns vor, 2015 zum 150-jährigen Bestehen des Bettenhauses zu gratulieren.“
Das hatte laut Szentei-Heise seit 1865 seinen Sitz an der Schadowstraße, Vor-Besitzer war Fritz Grossmann. Er verkaufte das Geschäft 1938 an Werner Hönscheidt zu einem Preis von 27 000 Reichsmark. Szentei-Heise nennt das einen „Spottpreis“, der eine Folge der so genannten Arisierung gewesen sei.
„So bezeichneten die Nationalsozialisten den Raub jüdischen Eigentums. Jüdische Besitzer waren gezwungen, ihr Eigentum weit unter Wert an Personen zu verkaufen, die als ,arisch’ angesehen wurden.“
Wenn das stimmt, bekommt der Hönscheidt-Werbeslogan „Die neue Generation — in alter Tradition“ einen unangenehmen Beigeschmack.
Ines Reusch, Enkelin von Werner Hönscheidt und Geschäftsführerin der Firma, zeigt sich überrascht von den Vorwürfen: Erst von Journalisten erfuhr die 35-Jährige davon. In einer ersten Reaktion wies sie diese zurück: „Der Kauf des Geschäftes war in Ordnung, das bestätigt auch ein vierseitiger Schriftsatz vom Amt für Wiedergutmachung aus dem Jahr 1950, den wir vorliegen haben.“
Auf die Frage, wie denn der niedrige Kaufpreis zu erklären sei, sagte sie: „Mein Großvater war wohl gut befreundet mit dem Ehepaar.“ Reusch kündigte indes an, alle vorliegenden Dokumente noch einmal genau zu prüfen. Dass die Jüdische Gemeinde sie nicht vorgewarnt hat, findet sie „nicht schön“.
Das kontert Szentei-Heise: „Warum hat sie uns nicht kontaktiert, bevor sie eine solche Anzeige schaltet?“ Gemeint ist eine Anzeigen-Sonderveröffentlichung des Bettenhauses zum angeblichen Firmenjubiläum. Die wiederum empfand Szentei-Heise vor dem Hintergrund der Geschichte als unpassend.
Denn Fritz Grossmann teilte das Schicksal vieler Juden im Dritten Reich: 1939 wurde er festgenommen und ins KZ Dachau deportiert, 1940 im KZ Buchenwald ermordet. Ehefrau Marta wurde in Minsk ermordet. Nur die beiden Söhne konnten fliehen. Laut Szentei-Heise leben sie heute in den USA.