Das Handwerk Andreas Ehlert: „Das Angebot des Handwerk ist erstklassig“
Das Handwerk boomt. Kammerpräsident Andreas Ehlert erklärt die Erfolgsfaktoren und die Risiken für die Betriebe.
Das Handwerk konnte laut dem Zentralverband des Handwerks 2016 ein Umsatzplus von 3,5 Prozent verzeichnen, auch in diesem Jahr werden 2,5 Prozent plus vorausgesagt.
Was macht den Erfolg der Handwerksbetriebe aus, liegen die Zahlen in Ihrem Kammerbezirk ähnlich gut? Und welche Branchen entwickeln sich dabei besonders dynamisch?
Andreas Ehlert: Das Handwerk an Rhein, Ruhr und Wupper ist ebenso dynamisch unterwegs wie anderswo im gesamten Bundesgebiet; in Teilbereichen wie am Bau oder bei den Zuliefererunternehmen für den Bedarf der Industrie sehen die Daten sogar eher noch besser aus.
Unser Wirtschaftsbereich profitiert derzeit gleich zweifach: Zum einen von der lebhaften Binnen-Nachfrage und zum anderen von der stabilen Exportkonjunktur. Der Bausektor gerade hier im Westen verspürt außerdem erstmals seit längerem wieder Impulse auch von der Öffentlichen Hand. Diese investiert jetzt in die Flüchtlingsunterbringung, in den Wohnungsbau und erstmals etwas stärker auch wieder in die Erneuerung der kommunalen Infrastruktur.
Was können andere Wirtschaftsbereiche vom Handwerk lernen?
Ehlert: Die große Zuversicht seiner Unternehmerinnen und Unternehmer: 86 Prozent unserer Firmenchefinnen und -chefs gehen davon aus, dass die lebhafte Nachfrage weit bis ins erste Halbjahr hinein anhalten oder sogar weiter zunehmen wird. Die Hoffnung ist begründet, denn die Inhaber der Betriebe des Handwerkssektors sind gut qualifiziert — sowohl fachlich als auch kaufmännisch und nicht zuletzt auch berufspädagogisch. Auch zu guter Arbeitsorganisation und Menschenführung qualifiziert die Meisterausbildung — ein Stabilitäts-Trumpf, der das Handwerk seit Generationen stark macht.
Was sind derzeit die größten Wachstumshemmnisse, wie beurteilen Sie die Perspektiven des Handwerks im Kammerbezirk in den kommenden Jahren?
Ehlert: In Nordrhein-Westfalen liegt der Schuldenstand je Einwohner mit fast 14 000 Euro knapp 5000 Euro über dem Durchschnitt der Länder. Bis auf zwei Ausnahmen befinden sich die 70 Gemeinden mit den höchsten Gewerbesteuersätzen Deutschlands in Nordrhein-Westfalen. Das sind Risiken, die für die handwerklichen Auftragnehmer sofort spürbar werden, sollte die Konjunktur voraussehbar künftig einmal nicht mehr brummen. Und Nordrhein-Westfalens Landesadministration neigt leider stark zu bürokratischen Verfahrensweisen. Eine Hygiene-Ampel für Bäcker und Fleischer gibt es aus guten Gründen anderswo nicht, ebenso wenig ein Vergaberecht, das erfolgreich um öffentliche Aufträge bietenden Unternehmen Zertifikate für den Nachweis abverlangt, dass sie geltende Arbeitszeitregelungen einhalten.
Welche Rolle spielt der Fachkräftemangel in Düsseldorf und der Region? Was kann gegen diese Entwicklung getan werden?
Ehlert: Der Nachwuchssicherung gilt unsere größte Sorge. Die Demografie und eine verengte Sichtweise, wonach der Weg zu beruflicher Erfüllung und Aufstieg nur über einen akademischen Abschluss führe, sorgen für Hunderte unbesetzt bleibender Ausbildungsplätze in unseren Unternehmen. Zweierlei ist erforderlich: Eine bessere Berufsorientierung, verbunden mit einer Hinführung zum Handwerk an den Schulen mit Sekundarstufe II. Zum anderen versuchen wir, handwerkliche Erfahrungen über Hospitanzen in unseren Werkstätten, Labors, Zentralen und Produktionsstätten zu ermöglichen, wie das die Regierungsmaßnahme „Kein Abschluss ohne Anschluss“ in Nordrhein-Westfalen ja auch vorsieht. Klappt beides, dann ist mir um die Zukunft der Nachwuchs- und Fachkräftesicherung für das Handwerk nicht bange. Denn das Angebot des Handwerks ist immer noch erstklassig. Sichere, zufriedenstellende Arbeitsplätze mit hervorragenden Karriere- und Weiterentwicklungschancen.
Wie hält man bzw. macht man das Handwerk in Düsseldorf und der Region attraktiv für Berufseinsteiger?
Ehlert: „Einfach machen!“ - So lautet unsere Einladung an die Generation U 25, im Zuge unserer bundesweiten Imagekampagne als Gesamt-Handwerk. Wir sind überzeugt, dass ein Praktikum in unseren 10 000 Ausbildungsbetrieben bei vielen die Freude an der eigenen Handfertigkeit herauskitzeln wird: beim Herstellen einer coolen Couch, bei der professionellen Umlackierung des Bikes oder bei der ultimativen Tortenkreation. Und wir sehen, dass die Karriere-Botschaft „Meister statt Großraumbüro“ auch unter Gymnasiasten und Studenten immer mehr verfängt!
Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der künftigen Entwicklung des Handwerks?
Ehlert: Eine massive. Und das weit überwiegend zum Nutzen unserer Unternehmen und ihrer Kunden. Denn das Handwerk kann digital. Elektrotechniker rüsten die „smarten“ Neubauten aus, Zahntechniker scannen und modellieren unsere Gebisse dreidimensional, Modellbauer formen Prototypen mithilfe von Algorithmen statt Gips. Neue Herstellungstechnologien erlauben es, viele Güter preiswerter und schneller, und dank Tablet und 3-D-Drucker auch in engerem Miteinander mit dem Kunden mobiler und vielgestaltiger zu erzeugen. Allerdings hakt es noch an der Netzgeschwindigkeit. Handwerk und Wirtschaft benötigen eine Breitbandversorgung, die den Namen verdient. Und da ist die Politik gefordert. Nicht irgendwann, sondern: jetzt.