Im Sommer abhängen auf der Wiese vor dem Kit-Café, unter der Oberkasseler Brücke am Tonhallenufer, am Robert-Lehr-Ufer in der Nähe der Theodor-Heuss-Brücke. Der Stadtstrand ist ja nur eines Ihrer zahlreichen Projekte, Sie haben ja noch ganz andere Sachen wachgeküsst: ein Pfarrhaus, ein Kloster, eine alte Lederfabrik, eine verlassene Kirche, den klotzigen Bilker Bunker. Da küsst der Frosch, und Simsalabim verwandeln sich Brachen und Bruchboden in verwunschene Gärten und großzügige Lofts. Küss den Frosch — wie vor zehn im gleichnamigen Walt-Disney-Trickfilm?
Architektur Andreas Knapp von KüssdenFrosch: „Wir wollen Architektur für die Seele der Stadt“
Düsseldorf · Interview Andreas Knapp von „Küssdenfrosch“ erzählt, warum es ihm in seinen Projekten jenseits des Stadtstrands darum geht, Ursprüngliches zu retten.
Die Sonne geht auf über Düsseldorf. Man sieht’s in einem Comic mit dem Titel „Der geheimnisvolle Stadtstrand“. Ein Sommermärchen, das noch in diesem Jahr wahr werden soll. Zwischendurch sah es aus, als ob die Idee stranden könnte. Aber nun ist alles in trockenen Strandtüchern, vielmehr in himmelblauen Containern, der Vertrag mit der Stadt ist unterzeichnet, und Andreas Knapp, Ideengeber und Geschäftsführer von Küssdenfrosch, freut sich. Mit unserer Redaktion sprach er über sein Lieblingsthema: Anders wohnen in Düsseldorf.
Andreas Knapp: Mit dem Film hat das eigentlich nichts zu tun, vielleicht eher mit der eigenen Biografie. Ich habe frühzeitig gelernt, selbstständig zu denken und zu entscheiden, Kreativität zu entwickeln. Schon als Schüler bemalte ich T-Shirts, die ich dann verkauft habe. Mit 15, 16 wollte ich Dekorateur werden, habe sogar wie mein Vater im Bergbau gearbeitet, bin morgens um halb sechs mit dem Korb eingefahren. Dabei habe ich auch gelernt, was ich später mal nicht machen möchte. Stationen nach dem Abi waren Zivildienst und ein Praktikum in einer Schreinerei in Düsseldorf, in einem Hinterhof der Hohe Straße. Dann Architektur studiert. Schon früh hatte ich eine eigene Firma, schon damals an einem besonderen Ort, im alten Güterbahnhof von Derendorf. Dort reifte die Idee, weitere solcher Plätze zu entdecken. Ich konnte die Firma erfolgreich verkaufen, das war das Startkapital für Küssdenfrosch.
Laut Label eine Häuserwachküssgesellschaft. Das klingt eher nach Trüffelschwein als nach Prinzenrolle. Finden Sie die schlafenden Schönheiten selbst, oder werden Sie auch mal von anderen mit der Nase drauf gestoßen?
Knapp: Es macht immer wieder Spaß, selbst verwunschene Orte zu entdecken. Inzwischen haben wir aber ein Riesennetzwerk und sind so bekannt, dass wir oft gezielt auf Projekte hingewiesen werden. Es gibt ja noch viel schöne, unentdeckte Architektur in Düsseldorf. Die gilt es zu entdecken und zu sanieren, für individuelles Wohnen, für den Bürger, praktisch für die Seele der Stadt.
Und wie gehen Sie dabei vor? Erst ein vorsichtiger Flirt, dann der erste Kuss? In ihrer Firmenbroschüre schildern Sie drei Schritte: vorgefunden, abgestaubt, wachgeküsst.
Knapp: Wir prüfen schon sehr genau, wobei nicht unbedingt als Erstes die Frage im Raum steht: Rechnet sich das? Das muss es natürlich auch, sollte aber nicht die Kreativität killen. Man sieht oft schon auf den ersten Blick, ob man da was daraus machen kann. Dabei kommt uns zugute, dass wir gleichzeitig als Investoren und Architekten arbeiten, was ziemlich ungewöhnlich ist.
Welche Vorstellungen haben die Anbieter? Verlangen die in angesagten Vierteln nicht oft märchenhafte Mondpreise für Bruchbuden?
Knapp: Sicher. Das kommt vor. Aber wir gucken schon genau hin. Dass da der Schwamm drin sein könnte, sieht man ja nicht immer auf den ersten Blick. Und: Wir müssen ja nicht küssen.
Wie lange dauert so ein Entscheidungsprozess?
Knapp: Das kann manchmal ganz, ganz schnell gehen. Aber auch dauern, meist dann, wenn man sich in ein Objekt verliebt hat, wie den Bunker in Bilk, eine Bundesimmobilie. Schwierig. Wir haben auch schon mal drei Jahre auf eine Baugenehmigung gewartet. Ein anderes Mal nur ein halbes Jahr.
Wachküssen klingt so romantisch. Müssen herunter gekommene Immobilien nicht auch schon mal wachgerüttelt werden, mit dem Presslufthammer?
Knapp: Die behandeln wir eher besonders behutsam wie Archäologen, zum Beispiel bei unserem Projekt Tannenstraße. Wenn die Decke herunterfällt, entdeckt man plötzlich tolle Stuckarbeiten, oder auf dem Boden wunderschöne alte Fliesen. Manchmal müssen wir auch zurückbauen, um das Ursprüngliche wiederherstellen, zu retten.
Bei Immobilien zählen ja bekanntlich die drei Hauptkriterien: Lage, Lage und Lage. Ihr Beuteschema ist aber noch enger: Innenstadtlage. Gibt es da überhaupt noch etwas zu entdecken?
Knapp: Klar! Zum Beispiel unsere Lofthäuser Eins und Zwei oder die alte Ledermanufaktur in Friedrichstadt.
Apropos Lederfabrik: Die Adersstraße ist ja nicht unbedingt eine Top-Lage für modernes Wohnen in Lofthäusern?
Knapp: Wir lieben es, die Leute zu überraschen. Das ist unser Objekt Understatement, eine spannende Adresse zwischen Rotlicht und Kö, die man so nicht erwartet. Aber die Gegend kommt!
Glauben Sie, dass Ihre Projekte zur Aufwertung eines Stadtteils beitragen können? Damit machen Sie ja die Schularbeiten der Stadt Düsseldorf im Fach Stadtentwicklung?
Knapp: Klar. Aber das machen wir gerne. Schließlich geht es um gemeinsame Interessen. Inzwischen haben wir einen sehr guten Draht zur Stadt. Jedes Objekt ist eine neue Idee für sich. Damit wollen wir den Bürgern etwas zurückgeben. Auch das Bewusstsein: Das ist unsere Stadt, deshalb müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass das so bleibt.
Haben Sie sich auch schon mal im Hafen umgesehen, dort würde man doch am ehesten noch schlafende Schönheiten vermuten?
Knapp: Ja, das ist einer der wenigen Plätze wo es noch Grund und Boden gibt, was Düsseldorf dringend für die Stadterweiterung bräuchte. Wir waren zum Beispiel an der alten Papierfabrik dran. Aber der Hafen ist ein besonderes Gelände mit schwierigen Besitzverhältnissen und vielen Auflagen, speziell, wenn es ums Wohnen geht. So passiert es dann, dass an einem der schönsten Plätze von Düsseldorf ein DHL-Verteilerzentrum hinkommt statt Wohnraum. Jammerschade!
Welches war bisher Ihr originellstes Projekt?
Knapp: Vielleicht die alte Kirche in Duisburg-Homburg. Unser Projekt Kolumba. Kirchen eignen sich ja eher nicht zum Wohnen. Wir richten darin nun ein Kolumbarium ein, eine Begräbnisstätte mit einer Skulptur in der Mitte. Einen Ort der Besinnung, der Ruhe. Als Ergänzung wird es einen Garten der Erinnerung geben. Damit das verwirklicht werden konnte, mussten wir zum Friedhofsbetreiber werden. Oder: Die bewohnbaren Schachteln, die wir auf das Dach des Bunkers an der Aachener Straße setzen. Wir planen auch ein komplettes Haus für Obdachlose und denken auch schon lange über Mehrgenerationen-Häuser nach. Kein neues Thema, aber eines, das neue Ansätze braucht.
Dazu dann doch noch die Milchmädchenfrage: Rechnet sich das alles?
Knapp: Die Frage stellen wir uns wie gesagt nicht als erste, wenn wir uns für ein Objekt begeistern. Manchmal ist der Gewinn eben schmaler, beim nächsten Projekt dann wieder höher. Eine Mischkalkulation. Außerdem finanzieren wir uns auch über Privat-Investoren, die bei uns ihr Geld in Immobilien anlegen – immerhin mit fünf Prozent Rendite.
Wo und wie wohnen Sie selbst? Wo steht Ihr Märchenschloss?
Knapp: In Gerresheim. Das war unser Projekt Stadt Villa 1, ein kleines altes Stadthaus von 1907. Es wurde uns 2001 angeboten. Das war Liebe auf den ersten Blick.